Kapitel 22: Urgandel im
Hundertundviertzigsten Mondzyklus nach der Besetzung: Vollmond
Vier Tage zuvor in Pistrana: Calister schritt über den
Schlosshof zum Burgfried. Der oberste Alb war besorgt, denn das Kind war noch
nicht gefunden und er war dabei die Kontrolle zu verlieren, es hatten sich zu
viele Fronten gebildet. Rebellen, abtrünnige Nachtalben und nun auch noch die
Zwerge. Calister war ratlos und er musste jemanden um Rat fragen. Mit Mürane
bestieg er die endlos scheinende Steintreppe. Als sie das Ende der Treppe
erreicht hatten, standen sie vor einer Holztür. Calister hob die Faust und
wollte gegen die Tür klopfen. „Komm herein!!“ erklang eine raue Stimme, bevor
der Alb zu schlagen konnte.
Calister öffnete die Tür, Mürane folgte ihm schweigend. In
dem Raum brannten vereinzelt Kerzen, sonst war es dunkel. In der Luft lag der
Geruch von Räucherwerk und auf dem Boden und den Wänden waren mit Kreide Runen
gezeichnet. Eine Kreatur kam schleifend auf die Nachtalben zu. Es trug eine
schwarze Kutte, das Gesicht war unförmig und aus dem Kopf ragten Hörner. „Was
willst du?“ fragte das Wesen mit arrogantem Ton. Calister holte tief Luft und
begann zu sprechen: “Wie kann ich meinen Plan noch in die Tat umsetzen? Das
Mädchen ist mir gestohlen worden. Wenn die Menschen erfahren wer sie ist könnte
es einen Aufstand geben. Einige Nachtalben haben sich losgesagt und nennen sich
Schattenelben. Ich muss einen Spross mit dem Silberhaar auf den Thron setzen
oder wir sind verloren.“
Die Kreatur lachte und lange Reißzähne wurden sichtbar. „Nun
wo du so Verzweifelt bist, kommst du und fragst mich um Rat, mein Kind?“ Mürane
machte ein erstauntes Gesicht, worauf das Geschöpf noch mehr lachte. „Ja du
hast richtig gehört, Nachtalbin. Als mein Volk merkte das es am aussterben war,
haben wir uns mir Elben gepaart. Die Weiber taten es nicht freiwillig, aber das
hat uns nicht gestört. So sind die Nachtalben entstanden und der gute Calister
will nun das gleiche tun, nur mit Menschen.“ Der Dämon schaute wieder zu
Calister. „Das Mädchen ist noch nicht gereift, doch es gibt ein Ritual um das
zu beschleunigen. Vor dem nächsten Vollmond muss das Kind hier sein. Nun geh,
ich muss darüber nachdenken was du mir für meinen Dienst schuldest.“
Ephaistra hatte sich in der Nähe des Burgfrieds versteckt
und wartete das die Nachtalben wieder heraus kamen. Dann endlich erschienen die
beiden. Die Schattenelbin folgte ihnen in einem Abstand, aber so nahe das sie
alles verstehen konnte. „Wir müssen das Mädchen bekommen. Suche und finde sie,
beginne in Burinda.“
Mürane versammelte vier Nachtalben um sich und verließ auf
Pferden die Stadt. Ephaistra folgte ihr mit ihren Schattenelben.
Fortingas hatte beschlossen, das es klüger wäre zusammen zu
bleiben. Sie folgten kleinen Gassen und kamen an den Hafen. Fortingas erinnerte
sich, das er bei seinem letzten Aufenthalt in der Stadt gesehen hatte, wie
Duras in einem der Häuser eingekehrt war. Allerdings unter schwerer Bewachung.
„Wir müssen in das Gebäude kommen.“ sagte er und zeigte auf ein weißes Haus.
Wallungur zog seine Axt unter der Jacke vor und wollte hineinstürmen, doch der
Alb hielt ihn fest. „Wir können nicht einfach rein stürmen, ich mach das
schon.“ flüsterte er, doch dann stockte er und schaute sich um. „Wo ist
Dolsahra?“ Die alte Frau kam um eine Ecke gelaufen. „Ich komme schon. Ich
musste dringend etwas erledigen, Frauensache.“
Fortingas zog die Kapuze herunter und trat an die Tür. Er
klopfte und eine Klappe wurde geöffnet. „Wer ist da!!!“ rief jemand. Fortingas
verstellte seine Stimme. „Ich bin ein Kurier aus Pistrana und bringe eine
Nachricht für Duras.“ Die Klappe wurde geschlossen, lautes Knarren von Riegeln
war zu hören und die Tür wurde aufgezogen. Ein Mann trat vor und wollte die
Nachricht entgegen nehmen. Fortingas packte ihn und stieß den Söldner gegen die
Hauswand, bewusstlos sackte der Mann zusammen. „Fesseln und knebeln.“ sagte der
Alb leise und ging in das Haus.
Es war alles still, nur wenige Laternen brannten. Er winkte
die anderen herein. Sie stiegen eine Treppe hinauf, vorsichtig und leise, denn
hinter jeder Ecke konnte eine Wache stehen. Vor einer Tür stoppte der Nachtalb
und lauschte. Er vernahm das klagende Knurren eines Mannes und das Wimmern
einer Frau der etwas widerstrebte. Fortingas schob die Tür einen Spalt auf und
erkannte Duras. Er stürmte in den Raum, riss den Mann von der Frau weg und
hielt ihm sein Kurzschwert an die Kehle. Wallungur rannte zu der Frau und
verpasste ihr einen Kinnhaken bevor sie schreien konnte, ohnmächtig sackte sie
auf das Bett.
„So kannst du ihn nicht behandeln, er ist der Bruder unseres
alten Königs.“ protestierte Dolsahra. „Und der Mann der uns an die Nachtalben
verraten hat.“ fügte Calseha hinzu. Die Alte funkelte ihre Nichte böse an. „Haltet
den Mund!“ befahl Tyrella und stellte sich an die Tür um Wache zu halten.
Wallungur ging zu dem Mann und sprach auf ihn ein. “Nun wirst du einige Fragen
beantworten. Warum sucht ihr den Nachtalben? Und was wollt ihr von dem Kind?
Los rede.“ Duras grinste spöttisch. „Verkrieche dich wieder in dein Erdloch,
Zwerg. Diese Dinge gehen dich nichts an, genieße die Zeit die dir noch in
Freiheit bleibt.“
Fortingas sah dass er nicht reden würde und dass er dachte,
dass ihm würde niemand ein Haar krümmte solange er schwieg. Er schaute aus dem
Fenster und sah einen Jungen der seinen betrunkenen Vater nach Haus geleitete.
Er öffnete das Fenster und zog Duras zu sich. „Siehst du den Jungen da? Wie er
sich abrackert um seinen Vater zu tragen?“ Der Nachtalb zog einen Pfeil aus dem
Köcher und zwinkerte Wallungur zu. Er legte den Pfeil auf die Sehne und zielte
auf den Jungen.
Duras warf sich gegen den Alb, der Pfeil flog los und sauste
über dem Kopf des Jungen hinweg. „Verfluchter Bastard, was soll das?“ fluchte
Duras. Wieder hielt Fortingas ihm das Schwert an den Hals. „Ich wollte nur
etwas deutlich machen. Ich kannte den Jungen nicht und doch war ich bereit ihn
zu töten. Aber dich mag ich nicht, also was glaubst du was ich mit dir anstelle,
wenn du nicht sofort redest!“ Dem Mann stand der Schweiß auf der Stirn und mit
zitternder Stimme begann er zu erzählen.
„Er ist nicht der einzige gesuchte Alb, es gibt abtrünnige
die sich Schattenelben nennen. Das Kind ist nur für Calister wichtig. Sie ist
der einzige Nachkomme meines Bruders. Wenn sie das erste Mal im Zeichen des
Blutmondes steht, will er sich mit ihr vereinigen und seinen eignen Spross auf
den Thron setzen. Einen Sohn der meinem Bruder ähnelt. Das Aussehen eines
Menschen und die Bosheit eines Nachtalbs.“ Alle schwiegen und waren von dem
gehörten schockiert. „Das dürfen wir nicht zulassen.“ sagte Calseha und
umklammerte Klondieke. „Das werden wir auch nicht“ erwiderte Fortingas. Er
packte den Mann an den Haaren und schlug ihn gegen die Tischkante. Bewusstlos
und mit einer großen Wunde am Kopf ging Duras zu Boden. In aller Eile wurden
der Mann und die Magd gefesselt und geknebelt. Calseha meinte man solle Duras
die Kehle durchschneiden, doch Fortingas winkte ab. „Wenn er verblutet ist es
sein Pech, aber einen wehrlosen ermorden? Niemals.“ Tyrella wollte so schnell
wie möglich aus der Stadt heraus und Dolsahra gab zu verstehen, dass sie eine
Abkürzung kenne. Alle folgten ihr in die dunkle Gasse.
Plötzlich wurde ihnen
der Weg versperrt. Nachtalben stellten sich ihnen entgegen, sofort zogen die
Zwerge und Fortingas ihre Waffen. „Es hat keinen Sinn, auf den Dächern sind
Bogenschützen postiert und sie verfehlen ihr Ziel nicht.“ Eine schlanke Gestalt
trat aus dem Schatten in das Mondlicht. „So sieht man sich wieder, Abtrünniger.“
Es war Mürane, hochmütig und siegesbewusst schaute sie zu Fortingas. Auf ihr
Zeichen kamen Nachtalben und nahmen den Zwergen und Fortingas die Waffen ab.
Eine Albin griff Klondieke bei den Haaren und zog sie von der Zwergin fort.
Tyrella wollte ihr zu Hilfe eilen, doch Mürane legte der Zwergin ein Schwert an
den Hals.
„Nun ist Schluss mit den Spielchen, das Mädchen kommt mit
nach Pistrana und euer Weg endet hier endgültig!!“ Der Ton mit dem die
Nachtalbin die Worte sprach ließ erahnen, dass sie es ernst meinte. Dolsahra
machte einen Schritt auf die Albin zu. „Vergiss nicht unseren Handel, ich
bringe euch die Zwerge und den Alb, dafür werde ich die Ziehmutter des
Kindes!!“ Mürane nahm das Schwert von der Kehle der Zwergin und stach der Frau
dreimal in den Bauch und einmal in die Brust. Tödlich getroffen sank Dolsahra
zu Boden. Calseha schrie auf und wollte zu ihrer Base, doch Fortingas hielt sie
fest. „Nun seid ihr an der Reihe.“ lachte Mürane, nahm Klondieke und verschwand
in der Dunkelheit. Noch einige Minuten konnte man das Kind hören, das nach
Wallungur und Tyrella schrie. Die Augen der Zwergin füllten sich mit Tränen der
Wut.
Eine brünette Albin trat mit sechs anderen auf die Gruppe
zu. Mit Hohn in den Augen gab sie den Bogenschützen ein Zeichen, doch nichts
geschah. Erneut hob sie die Hand, dann war ein Zischen zu hören und ein
schwarzer Pfeil ragte aus ihrem Hals. Alle Nachtalben zogen ihre Schwerter.
Dann gingen wieder Pfeile auf sie nieder. Dunkle Gestalten sprangen von den
Dächern und fielen über die Alben her. Fortingas und die Zwerge griffen den
Nachtalb an der ihre Waffen hatte.
Nach einem kurzen Gefecht lagen die Alben tot und schwer
verletzt am Boden. Eine Frau trat auf Fortingas zu. „Ich bin Ephaistra, ich
kenne deine Mutter Tenebris und wir werden euch in Sicherheit bringen.“ sprach
sie ohne Umschweife und wandte sich schnell um. Tyrella kam mit erhobener Axt
auf sie zu. „Ich traue euch nicht. Wer sagt dass ihr nicht zu denen gehört?
Euch macht es doch nichts aus wen ihr töten müsst um euer Ziel zu erreichen!!!“
Alarmglocken erklangen und laute Rufe waren zu hören. „Ihr
habt keine Wahl. Kommt mit uns und lebt oder bleibt und sterbt.“ Fortingas warf
der Zwergin einen flehenden Blick zu. Sie nickte zustimmend und ging mit. Sie
waren schon einige Gassen vom Kampfplatz entfernt als Wallungur inne hielt.
„Mein Jagdmesser!!“ Er drehte auf der Hacke um und rannte zurück. Tyrella
ermahnte ihn bei ihnen zubleiben, sie würde ihm Zehn neue schmieden, wenn sie
aus der Stadt wären. Doch der Zwerg blieb stur.
Der Jäger durchsuchte alle Leichen nach dem Andenken von
seiner Swanthe. Endlich hatte er es und wollte es in seinen Stiefel stecken,
als sich ein Arm um seinen Hals legte. Es war die brünette Nachtalbin.
„Dreckige Zwergenbrut, du wirst mit mir sterben.“ Wallungur spürte wie sich der
freie Arm der Albin unter sein Kettenhemd schob und dann erfolgte ein langer
Schmerz. Der Jäger biss in die Hand der Frau, schüttelte sie ab und schlug ihr
seine Axt in den Kopf .
Das Rasseln der Waffen von den Wachen kam immer näher. Der
Zwerg nahm seine Axt und floh. Schnell machte sich der Blutverlust bemerkbar.
Er stahl sich in einen Stall in dem Ponys standen. Er wollte eines satteln und
flüchten, als sich jemand an der Stalltür zu schaffen machte. Wallungur war
schwach, doch er hob seine Axt und machte sich kampfbereit. Langsam wurde die
Tür aufgedrückt.
Raziael/ Überarbeitung: Rina Smaragdauge