Sonntag, 29. April 2012

Die Prophzeiung Kapitel 8 ( Die Jagd beginnt)


Urgandel im Hundertsiebenunddreißigsten Mondzyklus nach der Besetzung: Hauptstadt Pistrana, Viertelmond

Calister Pouè Pas lief wütend im Thronsaal auf und ab. Immer wieder wanderten seine roten Augen zu zwei abgeschlagen Köpfen die auf goldenen Schalen ruhten. Es waren die Häupter eines Alben und einer Albin, die Nachtalben dessen Aufgabe es war den besonderen Gefangenen zu bewachen.

 Die Tür zum Saal wurde geöffnet und ein Nachtalb in der Rüstung eines Soldaten trat ein. Der Alb sank auf ein Knie, mit gesenktem Haupt machte er Bericht: „Herr, wir haben die Stadt und die nähere Umgebung durchkämmt, aber keine Spur von dem Mädchen!“ Wütend fegte Calister die Köpfe vom Tisch. „Was ist mit der Stummen, habt ihr sie gefunden?“ Der Soldat schüttelte den Kopf. Calister Pouè Pas gab dem Alb einen harten Tritt. „Gehe mir aus den Augen und sage Mürane, das ich sie sehen will, sofort!!“
Der Herrscher strich sich die blaue Robe glatt. Er war noch immer zornig, wenn dem Mädchen etwas zustieße würde das seinen Plan zu Nichte machen. Nur mit ihr konnte er einen Nachkommen zeugen der dem alten König ähnelte. Das Aussehen eines Menschen mit dem dunklen Herz eines Nachtalben und zudem Jemand den er steuern konnte wie eine Marionette. Doch sollten die Menschen herausbekommen das es wirklich einen Nachfahren Brundas gab, würden sie sich auflehnen. Motivierte Krieger mit einem Ziel, waren gefährliche Krieger. Und dann waren da auch noch die Zwerge, sollten sich diese Erdwürmer dem Streit anschließen wäre es das Ende der Nachtalben auf Urgandel.
Eine Albin betrat den Thronsaal, ihre langen, schwarzen Haare glänzten im Schein der Kerzen. Die an Ellenbogen und Knien verstärkte Lederrüstung lag eng an ihrem Körper und knarrte bei jedem Schritt. Sie blieb in respektvollen Abstand stehen und verbeugte sich tief. „Calister Pouè Pas, Oberster Nachtalb, ihr habt nach mir verlangt?“ Calister machte ihr deutlich dass sie sich wieder aufrichten solle. „Was kannst du mir Berichten Mürane?!“ 

Die Albin stellte sich bequem hin und begann zu erzählen:
„ Ich habe die Zelle untersucht, die Ketten sind nach und nach mit einem Werkzeug aus der Wand gebrochen worden. Es ist aber niemanden aufgefallen, weil das Steinmehl mit Wasser angedickt und wieder um die Ketten geschmiert wurde. Die Stumme muss das Mädchen befreit haben und sie muss es schon länger geplant haben. Als die beiden nun kopflosen Wachen sich wieder der Lust hingegeben haben, müssen sie durch die Abwassergräben geflohen sein. Ach und einer unserer Soldaten ist verschwunden, Fortingas So’no.


 Er hat sich in letzter Zeit sehr seltsam benommen.“
Der Herrscher hatte sich alles angehört. Still fragte er sich, ob die Stumme wusste wen sie mit sich nahm oder ob es menschliches Mitleid war. „Ich will das Mädchen zurück haben und du wirst sie mir bringen. Es ist mir gleich ob du jemanden dafür mit Gold bestichst oder ihn Pfählst und schaffe mir diesen Fortingas hierher!“  Mürane lächelte kalt als Calister ihr den Befehl erteilte. Sie verbeugte sich und verließ den Thronsaal.
„Felias!!!“ rief Calister. Eine Tür die zu einem Nebenzimmer führte wurde zaghaft geöffnet. Ein untersetzter Mann mit Glatze und rattenartiger Nase trat ein. “Eure Herrlichkeit haben gerufen? Was kann ich tun um euch zufrieden zu stellen?“ fragte er mit schleimig, gespielter Freundlichkeit. „Sende Boten an meine Söldner, sie sollen die Augen offen halten. Sollten sie auf Zwerge treffen, sollen sie diese Maulwürfe demütigen und wenn es sein muss töten. Ich will das es zum Streit zwischen den Zwergen und Menschen kommt, niemals darf es zu einem Bündnis kommen!“ sprach der Alb ohne den Menschen auch nur eines Blickes zu würdigen. Der Mann nickte und zog sich wieder unter tiefen Verbeugungen zurück. Calister Pouè Pas ging an das Fenster und schaute  auf die Stadt. *Es ist mein Land und ich werde es mir nicht von kleinwüchsigen Missgeburten streitig machen.*

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Stadt Burinda: Hafenviertel
Fortingas hatte sich bis nach Burinda durchgeschlagen. Die zweihundert Meilen waren ihm unendlich lang vorgekommen. Das Jagen hatte ihm keine Probleme bereitet. Jedoch das Feuer machen und im freien Schlafen hatten ihm zugesetzt. Wenn kein Wild zu finden war hatte er versucht sich von Beeren und Wurzeln zu ernähren, wovon er einen schlimmen Durchfall bekommen hatte. Nachtalben waren nicht gewohnt in der Wildnis zu Leben, Nachtalben lebten kultiviert und ließen andere für sich arbeiten.

Auf der Reise wurde ihm immer deutlicher, dass er kein vollblütiger Alb war. Den Rat seiner Mutter nur am Tage zu Reisen hatte er beherzigt und ihm war aufgefallen, das er am Tage genauso gut sehen konnte wie bei Nacht. Eine Fähigkeit die den reinen Nachtalben versagt war. Sie konnten sich nur begrenzt dem Licht der Sonne aussetzen ohne zu erblinden. Doch hatte die Sonne einen ganz besonderen Einfluss auf seine Augen. Beim Wasser schöpfen im Fluss hatte er sein Spiegelbild gesehen: am Tage färbte sich das tiefe Rot seiner Augen in ein helles Blaugrau. 

In einem Dorf hatte er sich eine graues Laken von einer Wäscheleine gestohlen und einen Kapuzenumhang daraus gemacht. Das Kleidungsstück war schief geschnitten und glich mehr dem eines Bettlers als dem eines Nachtalben. Doch er konnte sein Gesicht und seine Waffen damit verbergen, denn er war sich nicht sicher ob er gesucht wurde oder nicht.
Bevor er die Stadt betreten hatte, schmierte er sich die Stiefel mit dem Kot von Pferden ein. Die Wachen am Tor waren von dem Gestank auf Abstand gehalten worden und er konnte ungehindert passieren. Bei einem Händler kaufte er sich ein gebratenes Stück Fleisch. Er genoss es mit einem Schluck Wein. Der Geschmack von Salz und Pfeffer überzeugte ihn, dass er die Wildnis hinter sich gelassen hatte.

Aufmerksam beobachtete er die Schiffe die im Hafen anlegten und ausliefen. Alle wurden von Nachtalben befehligt und wenn sie Calister Pouè Pas unterstanden würde es unmöglich sein auf einem der Schiffe Urgandel zu verlassen. Doch was brachten die Schiffe und was nahmen sie wieder mit? Das war eine Frage mit der sich Fortingas seid einigen Tagen befasste.  Laute Rufe rissen den jungen Alb aus seinen Gedanken. Reiter bahnten sich einen Weg durch den Hafen. Es war Duras, der Bruder des alten Königs. Er hatte vor den Nachtalben kapituliert und Calister die Macht überlassen.


 Nun lebte Duras genauso wie ein König, er kontrollierte im Namen der Alben den Hafen und versorgte Calister Pouè Pas mit menschlichen Söldnern. Diese Söldner hatten weder Ehre noch einen Codex, für die richtige Entlohnung würden sie die eigne Schwester verkaufen.
Duras hatte den Kai angesteuert, doch er war nicht allein. Fortingas wurde der Mund trocken. Es waren Nachtalben, doch nicht irgendwelche. Es war die Elite des Obersten Alb Calister Pouè Pas. Wenn diese Nachtalben sich hier rum trieben konnte diese Hexe Mürane auch nicht lange auf sich warten lassen. Er musste schnell auf eines der Schiffe kommen oder Burinda verlassen und sich in der Umgebung des Fürstentums verstecken bis sich die Lage beruhigt hatte. Das bedeutete wieder in die Wildnis mit seinen ungewürzten Hasen und bitter schmeckenden Beeren.
Raziael/Überarbeitung:Rinasmaragdauge

Sonntag, 22. April 2012

Die Prophezeihung Kapitel 7 (Die wilde Schmiedin)


Urgandel im Hundertsiebenunddreißigsten Mondzyklus nach der Besetzung: Nördliches Gebirge, einen Tag vor Neumond, Festung der Schmiede

Durch die Stollen klang das Geräusch von Hämmern. Doch die meisten Essen waren kalt, weil viele Clans das Östliche Gebirge aufgesucht hatten, um ihre Ware auf dem Markt anzubieten. Die Zwerge des Nördlichen Gebirges waren bekannt für ihr handwerkliches Geschick. Früher hatten sie einen regen Handel mit den Menschen betrieben, doch seit die Nachtalben im Land das Sagen hatten war dies nur noch begrenzt möglich. Bei den Schmieden war der Angriff der Alben am stärksten gewesen. Die Rebellen, die mit den von Zwergen hergestellten Waffen kämpften, hatten dem Gegner die größten Verluste zugefügt.
Aber auch die Zwerge hatten in diesen Kämpfen Verluste zu beklagen und so manche Witwe und Waise musste sich mit seinem Schicksal abfinden.

Tyrella Feuerkopf  legte den Hammer auf den Amboss und tauchte die Schwertklinge, die fast solang war wie sie selbst ins Wasser. Zischend kühlte der Stahl ab. Mit ihren erfahrenen Augen prüfte sie die Schneide: Unebenheiten oder Scharten und Brüche wären ihr sofort aufgefallen. Sie legte die Waffe auf den Amboss, wo sie ganz erkalten konnte. Sie band die Lederschürze ab und zog sich das schwarze Kopftuch herunter. Ihre offenen und tiefroten Haare fielen auf die Schulter. In den vier dünnen Zöpfen waren Metallringe eingeflochten die klingend aneinander schlugen. Sie hatte den ganzen Tag an dem Schwert gearbeitet und wollte sich nun eine Pause und einen Humpen Schwarzbier gönnen. Tyrella war nun sechshundertfünfzig Mondzyklen, fünfzig Sommer, alt. Sie verließ die Schmiede und machte sich auf zur Taverne, der knielange Rock den sie über den Lederhosen trug wippte sanft bei jedem Schritt und schien sich dem Klingen der Ringe in den Zöpfen anzupassen.

Als sie die Schenke betrat wäre sie am liebsten wieder raus gegangen. An einigen Tischen saßen frisch vermählte Paare. Tyrella hatte ihren Gefährten im Kampf gegen die Albe verloren. Sie war eine gesunde und kräftige Zwergin und hätte jeder Zeit wieder einen neuen Gefährten wählen können. Doch in den hundertfünfundneunzig Mondzyklen die sie vermählt gewesen war, hatte sie ihrem Mann kein Kind schenken können. Dies war einer der Gründe warum sie von den Familien als Gefährtin für ihre Söhne abgelehnt wurde.

Ihr Clan hatte ihr das Recht eingeräumt sich selbst einen Partner wählen zu dürfen, doch auch das war nicht einfach. Bei einer Heirat ging es weniger um Zuneigung, sondern darum den Namen des Clans zu erhalten in dem man ihm Kinder schenkte
.
Sie ließ sich von einer Zwergin einen Humpen Bier geben und setzte sich an einen leeren Tisch. In der hinteren Ecke spielte ein Dudelsack. An einem Tisch wurde heftig diskutiert über Legierungen und Mischverhältnisse, an einem anderen saßen fünf Zwerge die schon ordentlich gebechert hatten. Sie schauten immer wieder zu Tyrella herüber, flüsterten und grinsten dreckig. Die Zwergin trank ihr Bier und genoss den malzigen Geschmack, sie war Spott wegen ihrer roten Haare gewohnt und störte sich nicht daran.
Einer der Zwerge stand auf und trat an sie heran. „Hey Feuerkopf, wenn du willst mache ich dich zur Mutter. Egal wie lange es dauert!!“ lallte er und lachte höhnisch. Tyrella fasste ihren Humpen und goss ihm das restliche Bier ins Gesicht. Der Zwerg prustete, doch bevor er etwas sagen oder tun konnte stand die Zwergin vor ihm und versetzte dem Zwerg mit dem leeren Humpen einen Hieb, so dass er benommen torkelte. Sie packte ihn mit der rechten Hand am Kragen, den linken Arm schob sie zwischen seinen Beinen hindurch und hob ihn in die Höhe. Der durch das Schmieden trainierten Zwergin bereitete dies keine Probleme. Tyrella schleuderte den Zwerg auf den Tisch, der durch die Wucht zusammen brach.

„Du Weichzwerg willst mich zur Mutter machen? Komme wieder wenn du mir gewachsen bist!!“ verspottete sie den Zwerg, der sich stöhnend am Boden wandte. Die Vier anderen Zwerge hatten sich erhoben und gingen mit geballten Fäusten auf die Zwergin los. „Diesem nutzlosen Weib werden wir Respekt lehren!!“ rief einer. Da waren auch schon die Schmiede, die zuvor miteinander diskutiert hatten zur Stelle und eilten Tyrella zu Hilfe. Es wurde geschimpft, geschlagen und geschuppst. Im Nu war eine Massenschlägerei im Gange. Die Zwerginnen die das Bier ausschenkten konnten dem nicht mehr Herr werden und riefen die Wachen.

Am nächsten Tag wurde Tyrella zu dem Führer ihres Clans gerufen, der auch zugleich ihr Vater war. Mit den Haaren versuchte sie die linke Gesichtshälfte zu bedecken um ihr blaues Auge zu verbergen. Tyrella hatte den Kopf gesenkt als sie vor ihren Vater trat. „Kind was ist nur los mit dir? Wie willst du einen Gemahl finden wenn du dich wie eine tollwütige Hündin aufführst!“ Ihr Vater sprach mit ruhiger, aber ernster Stimme. „Die Familie des Zwerges fordert eine Wiedergutmachung, zum ersten wegen der Schmach und zweitens weil er den ganzen nächsten Mondzyklus nicht arbeiten, geschweige denn essen kann.“

„Und was ist mit der Schmach die er mir angetan hat? Er hat mich behandelt wie Freiwild!!“ herrschte Tyrella ihren Vater an. Der Clanführer schlug seinen Morgenstern auf die eiserne Tischplatte. „Dann bei Ferrum hättest du dich an die Regeln halten müssen anstatt ihm die Zähne auszuschlagen!!!“ Der Zwerg holte tief Luft und fuhr in ruhigerem Ton fort: „Wir haben schon genug Probleme mit den Nachtalben. Da sollten wir uns nicht gegenseitig die Köpfe einschlagen!  Verstehst du das?“ Tyrella nickte.
Er holte eine Karte hervor und breitete sie auf dem Tisch aus. „Ich weiß, dass du mit der Streitaxt genauso gut umgehen kannst wie mit dem Schmiedehammer. Darum erteile ich dir eine Aufgabe!“ Er zeigte auf einen Fleck auf der Karte. „Ein Dorf im Fürstentum Burinda wird von den Handlangern der Nachtalben heimgesucht und hat uns um Beistand gebeten. Sie zahlen mit Brennstoff für unsere Essen. Du wirst mit zehn anderen dort hingehen!“ Die Zwergin schaute ihren Vater erstaunt an. „Warum ich denn!?“ Der Clanführer grinste. „Weil unser König mir die Auswahl der Leute überlassen hat und ich denke dass diese Aufgabe dein heißes Blut abkühlen wird. Morgen werdet ihr aufbrechen!“ Tyrella nahm die Karte an sich und verließ das Gemach ihrer Eltern. *Bauern beschützen, das kann nur langweilig werden.* dachte sie sich als sie zu ihrer Unterkunft ging um alles vorzubereiten.

Raziael/Überarbeitung: Rina Smaragdauge

Sonntag, 15. April 2012

Die Prophezeiung Kapitel 6 ( Die Verbannung)

Urgandel im Hundertsiebenunddreißigsten Mondzyklus nach der Besetzung: Östliches Gebirge, Festung der Jäger

Wallungur und Swanthe trafen sich regelmäßig in den Gärten. Dies geschah in aller Heimlichkeit denn ihre Familien durften nichts davon erfahren. Der Schatten einer Fehde zwischen den Clans machte eine offene Liebeserklärung unmöglich. Die Zwergin konnte nicht immer zu diesen Treffen kommen, denn ihr Clan zählte nicht zu den erfolgreichen Jägern im Gebirge und sie mussten oft zusätzlich Knollen und Wurzeln im Wald sammeln. Wallungur hinterließ dann immer eine aus Fellen gemachte Puppe, damit Swanthe wusste das er an sie dachte. 

Zwischen den beiden war es nie zu  mehr gekommen als ein Kuss auf die Wange und Händchenhalten. Swanthe und Wallungur waren noch unberührt und er hatte auch nie darauf  bestanden einen Schritt weiter zu gehen. Einmal hatte er davon gesprochen, dass sie sich das Treuegelöbnis geben sollten. Swanthe war bei dem Gedanken kreidebleich geworden. „Mein Vater würde dem niemals zustimmen, eher würde er mich erschlagen!!" hatte sie gesagt.

Wallungur wartete bereits in den Gärten und hatte sich in der dunklen Nische versteckt. Heute wollte er ihr seine Idee erzählen und wenn sie einverstanden, war sollte ihrem Glück nichts mehr im Wege stehen. Kein Clan und keine Fehde. Er hatte schon vor die Puppe unter einen Stein zu legen, da hörte er schnelle Schritte. Swanthe drückte sich in den Spalt in der Wand und gab ihm einen Kuss auf den staubigen Bart. „Tut mir leid dass ich so spät bin, aber ich musste erst die Kastanien aus den Schalen pellen!" keuchte sie und gab ihm noch einen Kuss.

Er küsste sie ebenfalls auf die Wange und drückte sie fest an sich. Swanthe mochte diese Momente, wenn er seine starken Arme um sie legte. Das gab ihr ein Gefühl der Sicherheit, als wenn nichts und niemand ihr etwas anhaben konnte. „Ich habe dir etwas zu sagen!" flüsterte Wallungur leise in ihr Ohr. Sie hob den Kopf, nickte und Wallungur begann zu erzählen. „Wir könnte den Treueeid ablegen und das Östliche Gebirge verlassen, wir können in den Norden gehen zu den Schmieden. Dort könnten wir Jagen und aus den Häuten Leder machen, das lässt sich gut verkaufen!" Swanthe schaute ihn ernst an. „Du würdest alles aufgeben? Nur für mich?!" Der Zwerg nickte, sie presste sich noch enger an ihn. „ich will Wallungur Fuchstöter, Ich will deine Gefährtin sein!" Während sie dies sagte rannen Tränen der Freude über ihr Gesicht.

Er nahm ihren Kopf in beide Hände und schaute ihr tief in die braunen Augen. „Dann lass es uns tun, jetzt. Ich habe mit einem Heiligen gesprochen er wird uns den Eid abnehmen und noch heute Nacht lassen wir die Festung der Jäger hinter uns!!" Sie nickte und gemeinsam liefen sie zum Tempel des Jared. Als die heimliche Zeremonie beendet war und sich beide gerührt das Treueversprechen gegeben hatten, sagte er: „Wenn es Nacht ist treffen wir uns in den Gärten, ich kenne einen geheimen Weg aus der Festung!" Danach trennten sie sich.  

Die Zeit verging Wallungur viel zu langsam, auch wenn er genug zu tun hatte. Er besorgte Proviant, genug Wasser und Fallen. Er packte zwei Rucksäcke, ein für Swanthe und einen für sich. In ihre Tasche legte er noch eine Überraschung: Stiefel und Handschuhe aus dem Fell des Mudrok den er mit dem Beil erschlagen hatte, denn im Norden konnte es Kalt werden. Dann war es soweit. Er lief die Stollen entlang die zu den Gärten führten. Doch als er sein Ziel erreichte, überkam ihn ein schlechtes Gefühl: es waren zu viele Zwerge anwesend. Um diese Zeit des Tages war normal niemand mehr bei der Arbeit und nun standen an die zwanzig Zwerge und Zwerginnen um etwas herum und redeten wild durcheinander. 

Wallungur lief schneller. Die Fallen in der Tasche klapperten und sein Kettenhemd klingelte bei jedem Schritt. Er zwängte sich durch die Menge und blieb wie versteinert stehen. Auf dem mit Pilzen bepflanzten Boden lag Swanthe, ihr Kopf war von einem Kriegshammer zertrümmert worden. Wallungur sank auf die Knie, die mit Tränen gefüllten Augen waren auf seine Geliebte gerichtet. „Nein, nein, das darf nicht sein! Swanthe sag etwas… ich habe ein Geschenk für dich." wimmerte er. Der Zwerg griff in den Rucksack, holte die Handschuhe hervor und streifte sie Swanthe über. Er nahm die Zwergin in die Arme, Tränen rannen über sein Gesicht und sickerten in den Bart.

Einer der anwesenden Zwerge sagte, dass niemand wüsste was geschehen war. Einer der Gärtner hatte sie tot aufgefunden. Wallungur schaute sich um und sah unter einem der Pilze etwas Glitzern. Er griff danach und erkannte, dass es sich um ein Medaillon handelte wie es Clanführer trugen. Doch es war nicht der Clan den er erwartete. Die Runen beschrieben den Clan der Breitrücken und der Besitzer des Anhängers war Rolas Breitrücken, der Oheim seiner Mutter. Wallungur hob Swanthe auf seine Arme und nahm sie mit sich. Sein Weg führte ihn zu den Hallen seines Clans. Aus dem mit Fellen behangenen Eingang drang lautes Gelächter. Als Wallungur die Halle betrat wurde es augenblicklich still. Er ging geradewegs auf Rolas zu und legte Swanthe vor ihm auf den Tisch. Seine von Trauer geröteten Augen waren auf den Clanführer gerichtet. Wallungur wollte seine Stimme erheben als Bringas Grossohr vor Wut keuchend in den Raum eindrang und mit ihm der gesamte Clan. Alle waren Bewaffnet und bereit zum Kampf. „Wo ist meine Tochter?!" brüllte Swanthes Vater.

Ohne den Blick von Rolas abzuwenden sprach Wallungur: „ Bringas, wenn es dich verlangt mich zu richten, dann sollst und deine Rache haben. Doch erst gönne mir die meine!!!" Die Mutter von Swanthe begann zu schreien und lief zu ihrer Tochter. Wallungur richtete sein Beil auf den Oheim seiner Mutter. „Rolas Breitrücken, du hast mein Weib ermordet. Ich fordere Vergeltung, ich fordere dich zum Zweikampf bis zum Tod!!" Osander, Wallungurs Vater, wollte seinen Sohn aufhalten. Doch er fegte den betagten Zwerg einfach zur Seite. 

„Halt, legt sofort die Waffen nieder!!!" dröhnte eine raue Stimme durch die Halle. Es war Burkhas Bärenschlag, der König ein stämmiger Zwerg von hundertfünfzig Sommern. Jemand musste ihn gerufen haben. In Begleitung von Wachen trat er zwischen Wallungur und Rolas. Er trug ein glänzendes Kettenhemd, um die Schultern hatte er einen Umhang aus Bärenfell der bis zu den Knien reichte und sein Zepter war eine aus Gold geschmiedete Jagdlanze. Burkhas sah Swanthe leblos auf dem Tisch liegen und fragte: „Wer hat dem armen Kind das Leben genommen? Sprecht und zwar auf der Stelle!!" Wallungur zeigte mit dem Beil auf Rolas. „Der da war es, er hat meine Gefährtin getötet!"

Rolas fuhr auf. „Alles erlogen, niemals würde ich meine Waffe mit dem Blut von einem Grossohr beschmutzen." Wallungur holte das Medaillon hervor und warf es dem Clanführer vor die Füße. „Dann sage mir wie das neben ihrer Leiche liegen konnte!!" Burkhas untersuchte den Kopf der toten Zwergin: sie war von hinten erschlagen worden. Dann ging er zu Rolas und riss ihm den Kriegshammer aus der Hand. An der Waffe klebte getrocknetes Blut und in den Kerben die mit der Zeit entstanden waren hingen braune Haare.
Burkhas schaute Rolas in die Augen und Fragte: „Nun Rolas Breitrücken? Was hast du dazu sagen?" Rolas zeigte auf  Bringas. „Die Grossohren sind Feinde der Breitrücken seit dreizehnhundert Mondzyklen das Weib wollte einen unserer Jünglinge zum Bösen verleiten!!", „Lüge, dieser Bastard hat meine Swanthe entehrt!" rief nun Bringas.

„Schluss!!!" fuhr der König dazwischen und wendete sich an Wallungur. „Junge schau mich an und sage mir die Wahrheit, war sie deine Gefährtin und habt ihr die Ehe ohne die Zustimmung der Clans vollzogen?" Wallungur erzählte von dem Heiligen im Tempel des Jared und dem Plan das Östliche Gebirge zu verlassen, doch die Ehe vollziehen wollten sie erst wenn kein Streit oder Fehde sie je wieder trennen konnte. Burkhas schaute zu Rolas. „Nun Rolas Breitrücken! Du hast die Zwergin erschlagen, nun Stelle dich ihrem Gefährten der dich mit dem Recht der Vergeltung herausfordert!" Der König warf dem Clanführer den Kriegshammer zu. Rolas fing die Waffe auf, schaute aber Hilfe suchend abwechselnd zum König und zu seinen Clanmitgliedern. „Was ist wenn ich mich weigere gegen ein Clanmitglied zu kämpfen?" fragte er hoffnungsvoll.

„Dann wirst du kampflos sterben!" rief Wallungur aufgebracht und griff Rolas an. Der Clanführer wehrte den Schlag ab, was ihn aber viel Kraft kostete. Rolas war nicht in der Lage einen Ausfall zu machen. Immer wieder schlugen der Axtkopf oder der lange Griff auf ihn nieder. Dann gelang es ihm einen von Wallungurs Angriffen auszuweichen und schlug zu. Der Jäger reagierte schnell und blockte den Schlag. Die Köpfe der beiden Waffen verhakten sich. Wallungur zog an seinem Beil und brachte Rolas aus dem Gleichgewicht. Dieser taumelte auf den Jäger zu und bekam dessen Faust ins Gesicht. Blut spritze, der Schlag hatte die Nase zertrümmert und trieb Rolas Tränen in die Augen. Wallungur schlug erneut zu und knirschend brach das Jochbein. Der Clanführer ließ benommen die Arme sinken. Wallungur ließ sein Beil fallen, griff nach dem Kriegshammer und tötete Rolas mit dessen eigner Waffe.

Wallungur keuchte, aus dem Mund tropfte Speichel, verteilte sich auf dem braunen Bart und ließ ihn wie einen tollwütigen Hund aussehen. Er ging zu Swanthe und gab ihr einen Kuss. „Dein Tod ist gerächt, ich werde bald bei dir sein!" flüsterte er leise. Dann ging er zu Bringas und kniete sich vor ihn. „Nun sollst du deine Rache bekommen!" Bringas schaute zu seiner toten Tochter und dann zu Wallungur. „Nein ich werde dir nicht deinen Wunsch erfüllen!" sagte er voller Hass. „Ich verfluche dich Wallungur Breitrücken, ich verfluche dich zu ewigem Leben. Möge Jared dir jede Erinnerung an Swanthe nehmen und die Trauer in deinem Herzen zurück lassen. Mögest du dich grämen und in ewiger Schuld leben!!" Während er die Worte sprach hatte er Daumen, zeige und Mittelfinger zu einer Kralle geformt und auf Wallungur gerichtet.
Der König schlug mit seiner Lanze auf den Boden. „Du hast deine Rache bekommen, doch du hast dich über die Gesetze deines Clans hinweggesetzt. Weil noch kein neuer Clanführer gewählt wurde, werde ich das Urteil sprechen. Wallungur Breitrücken, du wirst die Dornengasse beschreiten und  aus dem Östlichen Gebirge verbannt. Solltest du dich dennoch fünfzig Schritt der Festung nähern wirst du getötet."

Dem Jäger wurde alles weggenommen. Völlig entkleidet wurde er in eine Halle geführt. In dem Raum brannten nur einige Kerzen, auf einem Feuer stand ein großer Kessel mit heißem Öl und darin köchelten die Äste des Weißdorns. Der König schlug die Lanze auf den Marmorboden und jedes Clanmitglied der Breitrücken nahm einen Ast aus der blubbernden Flüssigkeit. Dann bildeten sie eine Gasse. Osander Wallungurs Vater, war nicht anwesend weil er die Schande nicht ertragen konnte. Die Wachen schoben den Jäger in die Gasse. Als Wallungur die ersten sich gegenüberstehen passierte, schlugen sie mit den heißen und Dornen besetzten Routen auf ihn ein. 

Am Anfang zuckte er noch zusammen, doch schon nach kurzer Zeit spürte er nur noch ein Brennen. Als er das Ende der Gasse erreicht hatte, sank er erschöpft zu Boden. Irgendwer schnitt ihm mit einem Jagdmesser den Bart ab, eine der schlimmsten Demütigungen die einem Zwerg angetan werden konnten. Zwei Wachen schleiften ihn aus der Festung hinaus bis zum Waldrand. Nun lag es in den Händen seines Gottes, ob er am Leben blieb oder den Wölfen als Mahl diente.

Die Nacht breitete ihren mit Sternen besetzten Mantel aus als Wallungur aus seiner Betäubung erwachte. Vor seinem Geistigen Auge sah er bereits die Raubtiere auf sich zukommen und über ihn herfallen. Er war geschwächt und müde. Der einst stolze Jäger wollte aufgeben, doch da näherten sich Schritte. Als er den Kopf hob erkannte er Swongor Grossohr, Swanthes jüngeren Bruder. Er hatte ein Bündel in den Armen, bevor er sich Wallungur näherte schaute sich der Zwerg wachsam um. „Ich weiß dass du meine Schwester geliebt hast und ihr nichts Böses wolltest. Das ist alles was ich tun kann! Sie hätte nicht gewollt das du wegen der Liebe zu ihr Stirbst!" Mit diesen Worten warf er dem Jäger das Bündel zu und rannte zurück in die Festung. Wallungur löste die Riemen und untersuchte den Inhalt. Er fand Kleidung, Wundsalbe, ein Jagdmesser sowie Trockenfleisch und ein Lederschlauch mit Wasser. Nun war er gerettet doch zugleich, erfüllte sich der Fluch.
Raziael/Überarbeitung: Rina Smaragdauge

Sonntag, 8. April 2012

Die Prophezeiung Kapitel 5 ( Der geheimnisvolle Gefangene)

Urgandel im Hundertfünfunddreißigsten Mondzyklus nach der Besetzung: Hauptstadt Pistrana, Kerker


Die Magd lief die grobe Steintreppe herab, in ihren Händen trug sie eine Schale mit dampfendem Haferbrei. Die Hitze drang bis an ihre Handflächen, weshalb sie zwischendurch pausierte und den Händen etwas Abkühlung gönnte. Gern hätte sie über die Arbeit die sie verrichtete geklagt, doch das war ihr nicht möglich, denn sie war stumm. Das Lesen und Schreiben hatte sie nie gelernt, doch in diesen schlimmen Zeiten und der momentanen Lage in der sich Urgandel befand waren dies die besten Eigenschaften für ein langes Leben. Was sie sah und hörte konnte sie nicht weiter erzählen.

Die Magd nahm die heiße Schale wieder auf und setzte ihren Weg fort. Am Ende der Treppe hielt sie sich links um einen Gang zu erreichen an dessen Ende sich nur eine einzige Zelle befand. Zwei Alben, ein Mann und eine Frau, die Wache hielten versperrten ihr den Weg. Es war immer dieselbe Prozedur. Einer der Wachen untersuchte das Essen, der andere durchsuchte sie. Früher hatte sie sich geschämt und wurde rot wenn die Wachen ihr unter den Rock geschaut hatten, doch nun nach fünfundsechzig Mondzyklen war es nur noch Routine, jede Gegenwehr würde ohnehin mit dem Tod bestraft werden.

Die schwere Eichentür wurde aufgeschlossen und sie trat ein. Es roch nach Urin und nach Kot. Der Insasse war ein Mensch doch als solchen konnte man das Wesen nicht mehr bezeichnen. Die Haare waren verfilzt und nie geschnitten worden. Um die Schultern und den Bauch war es mit Ketten an die Mauer gefesselt und lies nur wenig Bewegung zu. Es gab nur ein kleines Fenster in der Zelle damit Luft herein kam und eine Schlafpritsche die mit fauligem Stroh gedeckt war. Die Magd kniet sich auf den kalten Boden und begann es zu füttern. Immer wieder füllte sie den Löffel, pustete kurz darüber und schob den Löffel in den Mund, der sich wie mechanisch öffnete.

Die Wachen tuschelten miteinander. Die Albin sprach mit aufreizender Stimme eindringlich auf den Mann ein. Sie kamen in die Zelle, schauten auf die noch halbvolle Schale und entfernten sich rasch. Sicher um sich miteinander zu vergnügen. Als die Schüssel leer war, waren die Wachen noch nicht zurück. Die Magd hatte Mitleid. Sie versuchte etwas Freundlichkeit zu zeigen obwohl ihr das strengstens verboten war. Doch was nicht gesehen wurde, konnte nicht bestraft werden. Sie massierte die Hände und streichelte die Wangen, doch die Augen ihres Gegenübers blieben teilnahmslos. 

Plötzlich erklangen Schritte und Stimmen waren zu hören. Doch es waren nicht die Wachen, es war Calister Pouè Pas, der oberste Alb. Was sollte sie nun tun? Ihre Aufgabe war das Essen zu bringen und dann sofort wieder zu gehen. Aber die Reste am Rand der schale war schon angetrocknet. Der Herrscher kam immer näher. In ihrer Not versteckte sich die Magd unter der Pritsche. Der Gestank raubte ihr den Atem und sie musste würgen. Die Frau legte ihr Gesicht in die Schale der Geruch von Haferbrei dämpfte das Bedürfnis sich zu übergeben. Jemand betrat die Zelle, die Magd konnte nur die Füße sehen, doch an den Stimmen erkannte sie dass es Calister war in Begleitung von drei anderen Nachtalben. „Wo sind die Wachen?!" schrie er. Augenblicklich kamen der Alb und die Albin in die Zelle gerannt. Das Geräusch von Leder das gespannt wurde ließ erahnen dass sie sich ankleideten.
Ohrfeigen wurden ausgeteilt, dann verließen die Wachen die Zelle. Nur Calister und die drei Alben blieben in der Zelle. 

„Wie lange wollt ihr das Balg noch füttern Herr, oder schenkt ihr dem Geschwätz der menschlichen Priester glauben?" Die Stimme gehörte einer Frau. Doch die Magd konnte ihr keinen Namen geben und was meinte sie mit Geschwätz? Spielte sie auf die Prophezeiung an, die nach der Übernahme des Landes durch die Nachtalben von einer Priesterin des Perros ausgesprochen wurde?
Die Magd erinnerte sich:
 * Die Blutlinie des Königs wird nicht enden, um Gnade flehen werden die Tyrannen unter dem Beil der Befreier* 
   
Sie wusste auch dass vielen Teilen des Landes sich Sektengruppen organisiert hatten und auf den Erlöser warteten. Jedoch war König Brunda und seine Frau Fabiola von den Alben ermordet worden, aber es gab Gerüchte das sein Bruder Duras seine Hände im Spiel gehabt haben soll. Duras lebte nun in Burinda, er kontrollierte den Hafen und beutete mit den Adligen das Volk aus.  

„Nun ich glaube nicht an die Prophezeiung, doch bedenke welche Verluste wir im Kampf gegen die Zwerge einstecken mussten. Jeder Alb der es auf die Festungsmauer schaffte wurde in kleinen Stücken zurück geschickt!" Calister machte einen Schritt auf den in Ketten geschlagenen Menschen zu. „Wenn ihr Schoss das erste Mal sein Blut freigibt wird sie mir zu Willen sein und Nachwuchs schenken. Ich werde die Prophezeiung durchkreuzten und meinen eignen Spross mit königlichem Blut auf den Thron setzen!" 
Calister und seine Begleiter verließen die Zelle und die Tür wurde geschlossen und der Riegel fiel in die Halterung. Die Magd kroch unter der Pritsche hervor und dachte angestrengt nach. Als der König Tod war hatte Duras den Thron bestiegen und vor den Alben kapituliert. Brunda war in allen Ehren Bestattet worden. Doch was war mit Fabiola? Sie wurde neben ihrem Gatten begraben jedoch der Sarg wurde nicht für das Volk geöffnet.

War es möglich dass die Königin ein Kind erwartete? Hat sie das Kind geboren? Sie riss den Kopf herum und schaute das Mitleid erweckende Wesen an das dort in Ketten lag. *Wenn es so ist muss ich etwas unternehmen*  dachte sie. Die Magd lauschte an der Zellentür, es war nichts zu hören. Der Riegel war so angebracht dass er von innen mit der Hand betätigt werden konnte. Von außen musste ein Strick gezogen werden um den Riegel zu heben. Die Wachen waren nicht zu sehen: sicher hatten sie sich in ihr Versteck zurückgezogen.

Die Magd verlies den Kerker und lief zum Schmied, sie brauchte eine Feile oder anderes Werkzeug mit dem man Ketten lösen konnte. Bei jeder Fütterung würde sie versuchen die Fesseln etwas mehr zu schwächen und die erste Gelegenheit nutzen um den Nachkommen des Königs aus der Stadt zu schaffen und wenn es ihr Leben koste.

Raziael/Überarbeitung: Rina Smaragdauge

Sonntag, 1. April 2012

Die Prophzeiung Kapitel4 ( Das Erbe des Vaters)

Urgandel im Hundertfünfunddreißigsten Mondzyklus nach der Besetzung: Hauptstadt Pistrana, Neumond

Fortingas legte sich die Lederrüstung an und schaute im mannshohen Spiegel ob alles saß. Dann band er den Gürtel mit den zwei Kurzschwertern die über dem Steißbein, übereinander gekreuzt, am Lederriemen befestigt waren. Den Bogen ließ er im Waffenschrank. Er hatte heute Wache im Kerker, einen Dienst den er seit einiger Zeit mit Widerwillen antrat. Der junge Alb war nun dreihundertfünfundzwanzig  Monde alt, das waren fünfundzwanzig Sommer, doch vor zehn Monden hatte sich in ihm etwas verändert.

Er wusste nicht was es war und welchen Namen das ganze hatte. Aber er war sich sicher dass es nichts Gutes sein konnte denn, die anderen Nachtalben hatten es nicht. Die Nacht war klar und der Himmel schwarz. Fortingas überquerte die Straße und hielt auf den Palast zu. Früher lebte dort der König der Menschen, nun herrschte dort der oberste Alb. Die Wachen ließen ihn anstandslos passieren. Auf dem Vorhof war lautes Geschrei zu vernehmen, Calister Pouè Pas der Herrscher ließ hungrige Menschen mit Hunden um Essen kämpfen. Seine Elite Krieger standen um die Arena herum und schlossen Wetten ab.

Fortingas schlug den Weg zum Kerker ein, dort zwischen faulenden Leibern und dem Gestank von Exkrementen würde er bis zum Ende der Nacht bleiben müssen. Er selbst war auch für die Elitetruppe vorgeschlagen worden doch seit dem Vorfall in Urlandis war er aus der Liste gestrichen worden. Der Junge Alb versuchte das alles zu verdrängen, als plötzlich ein Schrei an sein Ohr drang. Es war der Hilferuf eines jungen Mädchens. Der Schrei war untermalt von dem Zähne fletschen der Hunde und dem jubeln der Soldaten. 

Der schrille Klang brannte sich in seinem Kopf fest, tief in seinem Innern schmerzte es und etwas drängte ihn dorthin zu gehen und dem ganzen ein Ende zu setzen. Fortingas hielt sich die Ohren und rannte in den Kerker. Der Geruch war nun egal, alles war besser als diesem Massaker zu lauschen. Als er nichts mehr von dem schrecklichen Schauspiel hören konnte lehnte er sich an eine Mauer. Immer noch klang der Schrei in seinem Kopf, sein Herz ging schwer und schmerzte auf eine unbekannte Art. Fortingas versuchte sich zu beruhigen als der nächste schreck ihn überfiel, seine Augen fühlten merkwürdig an. Er musste blinzeln, es fühlte sich an als hätte sich Schmutz in den Augenhöhlen angesammelt. Der Alb rieb sich die Augen und musste erkennen dass es kein schmutz war. Wasser, aus seinen Augen tropfte Wasser. Sobald die Wache vorbei war würde er sich seiner Mutter anvertrauen, sie wusste auf alles einen rat. 

Als Fortingas seinen Wachdienst beendet hatte ging er zu der Unterkunft seiner Mutter. Ihr Haus lag am Rande der Stadtmauer. Ohne sich anzumelden betrat er die Behausung, aus dem hinteren Teil des Hauses erklang Musik. Er folgte der Melodie und fand seine Mutter in einem verdunkelten Raum. Mit steigendem Alter wurden Nachtalben immer empfindlicher gegen das Licht der Sonne. Sie spielte auf einer Knochenharfe. Das Instrument war gefertigt aus menschlichen Knochen, die kunstvoll verziert waren. Die Klänge die seine Mutter spielte waren hypnotisierend und schienen nicht von dieser Welt zu sein. 

Sie schien ihren Sohn nicht bemerkt zu haben und setzte ihr Spiel fort. Schließlich sprach er sie an: „Ich grüße dich Tenebris So'no." Er sank auf ein Knie und senkte den Kopf. Tenebris hielt mit der Musik inne und legte ihm die Hand auf. „Ich grüße dich mein Sohn. Trinke einen Tee mit mir und erzähle mir den Grund deines Besuches." Fortingas wusste nicht wie alt seine Mutter war, doch sie war Schön und Anmutig wie eh und je. Ein Diener brachte ein Tablett mit dampfenden Tee. Fortingas nahm einen Schluck von dem heißen Gebräu und berichtete was in der Nacht über ihn gekommen war.

Tenebris hörte sich alles an und es schien sie weder zu erschrecken noch beunruhigte es sie. Als Fortingas seine Erzählung beendet hatte erhob sie sich von ihrem Stuhl. Sie ging zu dem Waffenständer und nahm eines ihrer Schwerter. 

Sie reichte es ihrem Sohn und setzte sich wieder. „Was ich dir nun sage wird dich vielleicht erschrecken. Solltest du dann den Wunsch verspüren mich zu Töten, werde ich mein Schicksal akzeptieren. Doch gewähre mir dir alles zu berichten." Sie nahm einen Schluck Tee und begann zu erzählen:

„Als wir gegen die Menschen zogen wurde ich verletzt. Dem Tode nah versuchte ich einen Gegner zu finden um nicht am Blutverlust zu sterben wie ein angeschossenes Jagdwild. Es war ein Mensch, ein Mann, der mich fand. Ich war zu geschwächt um Widerstand zu leisten. Als ich wieder zu Kräften kam befand ich mich in seiner Hütte. Er hatte meine Wunden gereinigt und versorgt. Ich sagte ihm,  dass es besser sei mich zu töten, denn anders würde ich ihn erschlagen. Er schaute mich nur an und meinte das sein Glaube und die Menschlichkeit ihm befahl ein jedes Leben zu retten und sei es noch so gering und böse.

Am Anfang wollte ich ihm auch sein Leben nehmen, doch er machte mich neugierig und irgendwann waren wir uns so nahe gekommen das wir uns vereinigten. Was er mir zeigte war anders als das was Nachtalben mit Frauen tun. Er ließ meinen Leib erbeben und ich konnte nicht genug davon bekommen. Ich wusste keinen Namen für diese Empfindungen, er nannte es Liebe. 

Der Krieg rückte immer näher und die Nachtalben breiteten ihre Herrschaft vor. Sie durchkämmten das Land auf der Suche nach Rebellen und schließlich fanden sie auch uns. Ich flehte ihn an zu Fliehen. Ich wusste was mich erwarten würde, ein Nachtalb zusammen in einer Hütte mit einem lebenden Menschen, wäre mein Tod gewesen. Doch er schaute mich nur an und sagte: „Das größte Opfer der Liebe ist für den anderen zu sterben." Daraufhin küsste er mich und warf sich in mein Schwert. Zu spät merkte ich dass die Liebe mit ihm einen keim in meinem Leib hinterlassen hatte.

Ich hatte vor dich im Fluss zu ersäufen, doch als du geboren warst brachte ich es nicht übers Herz und als deine Züge immer mehr einem Alben glichen wagte ich es dich großzuziehen. Doch nun scheint das Erbe deines Vaters erwacht zu sein."


Fortingas hatte schweigend den Worten seiner Mutter gelauscht. Dann sprang er auf, das Schwert mit beiden Händen umfassend holt er zum Schlag aus. Tenebris saß regungslos in ihrem Stuhl. In ihren Augen spiegelte sich keine Furcht noch die Bereitschaft sich zu verteidigen. Sie schaute ihn nur an. „Tu was du tun musst, doch werde ich immer deine Mutter bleiben und dich lieben." flüsterte sie und schloss die mandelförmigen Augen. Er holte erneut zum Schlag aus doch er zögerte. „Was soll ich nur tun?" Schrie er und schleuderte das Schwert auf den Boden.

Tenebris erhob sich und schloss ihren Sohn in ihre Arme. „Fliehe Fortingas, gehe in den Süden dort kannst du mit einem der Schiffe Urgandel verlassen, Fliehe mein Sohn! wenn Calister hinter dein Geheimnis kommt ist dein Tod gewiss" Flüsterte sie in sein Ohr. Fortingas wusste das Tenebris Recht hatte. Sollte jemand erfahren, das er der Bastard eines Menschen ist wäre es nicht nur sein Tod sondern auch der seiner Mutter. Er drückte sie fest an sich. „Ich werde gehen, aber ich komme wieder und hole dich." 

Tenebris gab ihm einen Langbogen und einen vollen Köcher mit Pfeilen, dann reichte sie ihm einen Beutel mit Münzen. „Nun geh und nutze den Tag, sie haben nicht deine Augen und können dich nur in der Nacht jagen."
Tenebris küsste ihren Sohn ein letztes Mal bevor sie ihn aus ihren Armen entließ.
Raziael/Überarbeitung Rina Smaragdauge