Urgandel im
Hundertsiebenunddreißigsten Mondzyklus nach der
Besetzung: Nördliches Gebirge, einen Tag vor Neumond, Festung der Schmiede
Durch die Stollen klang das Geräusch von Hämmern. Doch die
meisten Essen waren kalt, weil viele Clans das Östliche Gebirge aufgesucht
hatten, um ihre Ware auf dem Markt anzubieten. Die Zwerge des Nördlichen
Gebirges waren bekannt für ihr handwerkliches Geschick. Früher hatten sie einen
regen Handel mit den Menschen betrieben, doch seit die Nachtalben im Land das
Sagen hatten war dies nur noch begrenzt möglich. Bei den Schmieden war der
Angriff der Alben am stärksten gewesen. Die Rebellen, die mit den von Zwergen
hergestellten Waffen kämpften, hatten dem Gegner die größten Verluste zugefügt.
Aber auch die Zwerge hatten in diesen Kämpfen Verluste zu
beklagen und so manche Witwe und Waise musste sich mit seinem Schicksal
abfinden.
Tyrella Feuerkopf
legte den Hammer auf den Amboss und tauchte die Schwertklinge, die fast
solang war wie sie selbst ins Wasser. Zischend kühlte der Stahl ab. Mit ihren
erfahrenen Augen prüfte sie die Schneide: Unebenheiten oder Scharten und Brüche
wären ihr sofort aufgefallen. Sie legte die Waffe auf den Amboss, wo sie ganz
erkalten konnte. Sie band die Lederschürze ab und zog sich das schwarze
Kopftuch herunter. Ihre offenen und tiefroten Haare fielen auf die Schulter. In
den vier dünnen Zöpfen waren Metallringe eingeflochten die klingend aneinander
schlugen. Sie hatte den ganzen Tag an dem Schwert gearbeitet und wollte sich
nun eine Pause und einen Humpen Schwarzbier gönnen. Tyrella war nun
sechshundertfünfzig Mondzyklen, fünfzig Sommer, alt. Sie verließ die Schmiede
und machte sich auf zur Taverne, der knielange Rock den sie über den Lederhosen
trug wippte sanft bei jedem Schritt und schien sich dem Klingen der Ringe in
den Zöpfen anzupassen.
Als sie die Schenke betrat wäre sie am liebsten wieder raus gegangen.
An einigen Tischen saßen frisch vermählte Paare. Tyrella hatte ihren Gefährten
im Kampf gegen die Albe verloren. Sie war eine gesunde und kräftige Zwergin und
hätte jeder Zeit wieder einen neuen Gefährten wählen können. Doch in den
hundertfünfundneunzig Mondzyklen die sie vermählt gewesen war, hatte sie ihrem
Mann kein Kind schenken können. Dies war einer der Gründe warum sie von den
Familien als Gefährtin für ihre Söhne abgelehnt wurde.
Ihr Clan hatte ihr das Recht eingeräumt sich selbst einen
Partner wählen zu dürfen, doch auch das war nicht einfach. Bei einer Heirat
ging es weniger um Zuneigung, sondern darum den Namen des Clans zu erhalten in
dem man ihm Kinder schenkte
.
Sie ließ sich von einer Zwergin einen Humpen Bier geben und
setzte sich an einen leeren Tisch. In der hinteren Ecke spielte ein Dudelsack.
An einem Tisch wurde heftig diskutiert über Legierungen und Mischverhältnisse,
an einem anderen saßen fünf Zwerge die schon ordentlich gebechert hatten. Sie
schauten immer wieder zu Tyrella herüber, flüsterten und grinsten dreckig. Die
Zwergin trank ihr Bier und genoss den malzigen Geschmack, sie war Spott wegen
ihrer roten Haare gewohnt und störte sich nicht daran.
Einer der Zwerge stand auf und trat an sie heran. „Hey
Feuerkopf, wenn du willst mache ich dich zur Mutter. Egal wie lange es
dauert!!“ lallte er und lachte höhnisch. Tyrella fasste ihren Humpen und goss
ihm das restliche Bier ins Gesicht. Der Zwerg prustete, doch bevor er etwas
sagen oder tun konnte stand die Zwergin vor ihm und versetzte dem Zwerg mit dem
leeren Humpen einen Hieb, so dass er benommen torkelte. Sie packte ihn mit der
rechten Hand am Kragen, den linken Arm schob sie zwischen seinen Beinen
hindurch und hob ihn in die Höhe. Der durch das Schmieden trainierten Zwergin
bereitete dies keine Probleme. Tyrella schleuderte den Zwerg auf den Tisch, der
durch die Wucht zusammen brach.
„Du Weichzwerg willst mich zur Mutter machen? Komme wieder
wenn du mir gewachsen bist!!“ verspottete sie den Zwerg, der sich stöhnend am
Boden wandte. Die Vier anderen Zwerge hatten sich erhoben und gingen mit
geballten Fäusten auf die Zwergin los. „Diesem nutzlosen Weib werden wir
Respekt lehren!!“ rief einer. Da waren auch schon die Schmiede, die zuvor
miteinander diskutiert hatten zur Stelle und eilten Tyrella zu Hilfe. Es wurde
geschimpft, geschlagen und geschuppst. Im Nu war eine Massenschlägerei im Gange.
Die Zwerginnen die das Bier ausschenkten konnten dem nicht mehr Herr werden und
riefen die Wachen.
Am nächsten Tag wurde Tyrella zu dem Führer ihres Clans
gerufen, der auch zugleich ihr Vater war. Mit den Haaren versuchte sie die
linke Gesichtshälfte zu bedecken um ihr blaues Auge zu verbergen. Tyrella hatte
den Kopf gesenkt als sie vor ihren Vater trat. „Kind was ist nur los mit dir?
Wie willst du einen Gemahl finden wenn du dich wie eine tollwütige Hündin
aufführst!“ Ihr Vater sprach mit ruhiger, aber ernster Stimme. „Die Familie des
Zwerges fordert eine Wiedergutmachung, zum ersten wegen der Schmach und
zweitens weil er den ganzen nächsten Mondzyklus nicht arbeiten, geschweige denn
essen kann.“
„Und was ist mit der Schmach die er mir angetan hat? Er hat
mich behandelt wie Freiwild!!“ herrschte Tyrella ihren Vater an. Der Clanführer
schlug seinen Morgenstern auf die eiserne Tischplatte. „Dann bei Ferrum hättest
du dich an die Regeln halten müssen anstatt ihm die Zähne auszuschlagen!!!“ Der
Zwerg holte tief Luft und fuhr in ruhigerem Ton fort: „Wir haben schon genug
Probleme mit den Nachtalben. Da sollten wir uns nicht gegenseitig die Köpfe
einschlagen! Verstehst du das?“ Tyrella
nickte.
Er holte eine Karte hervor und breitete sie auf dem Tisch
aus. „Ich weiß, dass du mit der Streitaxt genauso gut umgehen kannst wie mit
dem Schmiedehammer. Darum erteile ich dir eine Aufgabe!“ Er zeigte auf einen
Fleck auf der Karte. „Ein Dorf im Fürstentum Burinda wird von den Handlangern
der Nachtalben heimgesucht und hat uns um Beistand gebeten. Sie zahlen mit
Brennstoff für unsere Essen. Du wirst mit zehn anderen dort hingehen!“ Die
Zwergin schaute ihren Vater erstaunt an. „Warum ich denn!?“ Der Clanführer
grinste. „Weil unser König mir die Auswahl der Leute überlassen hat und ich
denke dass diese Aufgabe dein heißes Blut abkühlen wird. Morgen werdet ihr
aufbrechen!“ Tyrella nahm die Karte an sich und verließ das Gemach ihrer
Eltern. *Bauern beschützen, das kann nur langweilig
werden.* dachte sie sich als sie zu ihrer Unterkunft ging um alles
vorzubereiten.
Raziael/Überarbeitung: Rina Smaragdauge
1 Kommentar:
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