Kapitel 9:
Igitt, sie kann nicht kochen!
Den ganzen Tag
lief Camy hinter Wulfgast her und mußte sich sein Gebrummel anhören und seine
schlechte Laune ertragen. Gerade als sie sich fragte, was wohl die größere
Strafe war: kurzzeitig verbannt worden zu sein oder mit diesem mies gelaunten
Zwerg reisen zu müssen, wies ihr Reisebegleiter zu einem kleinen Berg. „Dort
vorne am Hügel, bei der Baumgruppe, schlagen wir unser Nachtlager auf. Dort
fließt ein kleiner Bach und wir sind durch den Hang vor Angriffen aus dem
Hinterhalt geschützt.“
Die Zwergin nickte
und legte einen Schritt zu. Sie wollte nur so schnell wie möglich eine warme
Mahlzeit in den Magen bekommen uns sich danach schlafen legen. Sie hatte einen
anstrengenden Tag und gewiss war dies nicht der letzte.
Unter den Bäumen
fanden sie eine alte Feuerstelle und die beiden mußten nur noch das trockene
Holz für ein schönes Zwergenfeuer sammeln. Rasch hatten sie genug vom Boden
aufgelesen und Wulfgast wies die Schmiedin an, das Abendessen zu zu bereiten,
während er sein Lager einrichtete.
„Leihst du mir
deinen Topf? fragte sie kleinlaut. „Wo hast du denn deinen gelassen?“ knurrte
er. „Zu Hause.“ „Hier.“ Der Zwerg warf Camy den Topf zu. „Hast du auch
Kochlöffel dabei?“ „Die hast du auch vergessen?!“Die Zwergin nickte verlegen.
„Du hast also gar nichts eingepackt.“ stellte der Zwerg kopfschüttelnd fest und
gab ihr sein ganzes Kochgeschirr.
Die Schmiedin
kramte nach ihren Vorräten und warf das Gemüse und etwas Trockenfleisch in den
geliehenen Topf. Dann ging sie zum kleinen Bach und wusch sich zunächst die
Hände und das Gesicht, ehe sie Wasser für die Suppe holte. Während das Essen
vor sich hin köchelte, bereitet Camy ihr Nachtlager. Dabei schielte sie immer
wieder zu Wulfgast hinüber. Sie hatte noch nie im Freien übernachtet und hatte
nicht die leiseste Ahnung, wie man in der Wildnis sein Bett baute.
Der Zwerg war im
Handumdrehen fertig und Camy wollte es ihm gleich tun. ‚Verdammich noch eins…Ich dusselige Kuh hab‘ keine Decke mitgenommen! Na
ja, so kalt wird es schon nicht werden.‘ Da sie den Zwerg nicht schon
wieder einen Grund zum Mosern geben wollte, hielt sie die Klappe.
Plötzlich fiel ihr
die Suppe wieder ein. Nun ja, einfallen war zu viel gesagt: der Geruch von Verbranntem
stieg ihr in die Nase. Schnell lief sie zur Feuerstelle und nahm den Topf vom
Feuer. Zum Glück war die Mahlzeit nur ein wenig angekokelt. Die Zwergin rief
Wulfgast: „Essen fassen!“
Sie mussten sich
den Löffel teilen und da sie auch keine 2 Teller hatten, aßen sie gleich direkt
aus dem Topf. Nach dem ersten Löffel verzog Wulfgast angeekelt das Gesicht,
seine Gesichtsfarbe wechselte von normal zu leicht grünlich und laut prustend
spie er die Suppe aus. „Zu heiß?“ fragte Camy. „Schön wärs! Ich hab noch nie
ein solch miserables Mahl zu mir genommen!“ Er hielt Camy den Löffel hin. Sie
probierte die Suppe: das Gemüse war noch nicht gar, das Trockenfleisch
steinhart und die Gewürze hatte sie ganz vergessen. „Na ja, der Hunger treibst
rein.“ knurrte sie und aß stur weiter.
Der Zwerg langte zu
einem kleinen Beutel, griff mit spitzen Fingern hinein und fügte Kräuter und
Gewürze zu Camys Gebräu hinzu. Dann nahm er ihr den Kochtopf ab und ließ die
Suppe noch einmal köcheln. Sofort stieg der Zwergin ein wesentlich angenehmerer
Geruch in die Nase. Wulfgast probierte: „Jetzt kann man es Essen. Ich hoffe nur
für uns beide, daß du besser schmiedest als du kochst. Ansonsten können wir
ebenso gleich kehrt machen.“
Den Rest des
Abendessens verbrachten sie schweigend. Außer dem Schmatzen und einem
gelegentlichen Rülpser, den Wulfgast durch die Stille röhren ließ, blieb es
ruhig. Nachdem sie aufgegessen hatten und die Schmiedin am Bach das Geschirr
abgewaschen hatte, nahm sie neben dem Zwerg am Feuer Platz, zog ihre Pfeife
hervor und bot Wulfgast Tabak an. Er nahm sich reichlich und begann ebenfalls
sein Pfeifchen zu stopfen.
„Bringst du es mir
bei?“ „Was?“ „Na das Kochen. Mutter hat mir nie gezeigt wie man das macht. Ich
kann Nahrung zubereiten, aber wirklich kochen konnte ich noch nie.“ „Gut. Ich
koche und du machst den Abwasch.“ „Abgemacht.“
Mittlerweile war
die Abenddämmerung herein gebrochen, der Mond zeigte sich schwach leuchtend am
Himmel und die ersten Sterne funkelten über ihnen. Camys Lider wurden schwer
und sie konnte das Gähnen nicht mehr unterdrücken. Es wurde Zeit zum Schlafen
gehen, denn am Morgen wollten sie früh aufbrechen. Camy nahm ihre gammlige
Schmiedeschürze aus ihrem Rucksack und legte sich in ihren Reiseumhang
eingewickelt darauf. Den Rucksack schob sie sich als Kopfkissen unter den Kopf.
Totmüde wie sie war schlief sie ein und noch nicht einmal das laute Schnarchen
ihres Begleiter weckte sie.
Wulfgast legte sich
auch zum Schlafen nieder. Sein Kettenhemd hatte er ausgezogen und die Waffen
griffbereit neben sein Nachtlager gelegt. Auch er schlief sofort , doch sein
Schlaf war viel leichter als der Camys. Er war oft allein außerhalb des
Gebirges unterwegs, da mußte er wachsam sein um nicht morgens tot auf zu
wachen.
Deshalb hörte er
auch die Schritte, die sich ihrem Lager näherten. Zwar versuchten sie, es waren
2 oder 3, leise zu sein, aber das gelang ihnen nicht. „Scheiße, ich bin in ein
Kanninchenloch getreten.“ hörte er einen Mann leise unterdrückt fluchen.
„Schscht! Leise, die hören uns noch!“
‚Zu spät. Ich hab‘ euch schon gehört.‘ dachte
Wulfgast, schnappte sich seine Axt und erhob sich leise und vorsichtig von
seinem Lager. Ohne die schlafende Zwergin zu wecken, versteckte er sich hinter
einem Baum und hielt nach den ungebetenen Gästen Ausschau.
Er hatte richtig
gehört: kaum hatte er sich versteckt, tauchten 3 Schattengestalten auf.
Wulfgast schärfte seinen Blick und versuchte zu erkennen, wer sich da an ihr
Lager schlich. Viel konnte er in der Dunkelheit nicht ausmachen, aber eines war
sicher: es waren Zwerge!
Der Krieger spürte
Wut in sich aufsteigen. Hier draußen gab es für seinesgleichen schon genug
Gefahren und Feinde, die ihnen auflauerten. Und jetzt schickten sich auch noch
diese 3 Kerle an, sie zu überfallen! Zwerge kämpften nicht gegen Zwerge!!! Es
gab genügend andere Wesen, an denen man beweisen mußte, daß man sein Handwerk
verstand!
Die Angreifer
schlichen an Wulfgast vorbei, sahen zu seinem leeren Lager und frohlockten
leise: „Der alte Trottel ist nich hier. Vermutlich hat der alte Sack schon das
Weite gesucht. Würde mich nicht wundern, ich wollte für diese dumme Ziege auch
nicht den Kopf hinhalten müßen.“ Leise huschten sie zu Camy hinüber. „Oh, wie
süß sie schläft.“ „So tief und fest.“ „Na dann wollen ihr mal eine Lektion
erteilen!“
Sie stellten sich
im Kreis um Camys Lager auf und nahmen die Socken, die sie mit Kieselsteinen
halb gefüllt hatten, von ihren Gürteln. Dann riss einer der drei die Schmiedin
an den Haaren von ihrem Lager hoch. Mit einem erschrockenen Schrei fuhr Camy
aus dem Schlaf. Ängstlich und schlaftrunken sah sie sich um. Ihre Augen
weiteten sich, als sie Mergol und ihren Bruder Debor erkannte.
„Was mach ihr denn
hier?“ „Denkst du, wir lassen dich einfach so davon kommen?“ knurrte sie Mergol
an und schubste sie. „Du kannst dich doch nicht ungestraft davon schleichen und
ich hab jetzt den alten Säufer an der Backe!“ fauchte ihr Bruder und gab ihr
ebenfalls einen Stoß gegen die Schulter. „Und ich warte schon lange darauf, es
dir heimzuzahlen.“ sagte der dritte Zwerg, ehe er ihr noch einen Stoß
verpasste. „Erkennst du mich denn nicht wieder?! Du hast mir den Phallus an die
Rüstung geschmiedet.“ Die Zwergen stießen die Schmiedin umher und fingen an,
sie wild zu beschimpfen. In Panik sah sich Camy um. Wo steckte denn nur
Wulfgast?! Sie rief nach ihm, doch es kam keine Antwort. Nach einem heftigen
Rempler verlor sie das Gleichgewicht, verhedderte sich mit dem Fuß in ihrem
Umhang und stürzte hart auf den Boden.
Ihr Hinterkopf schlug
auf einen Stein, sofort fühlte sie, wie sich ihre Sinne vernebelten. Benommen
kämpfte sie gegen die Übelkeit und die drohende Bewußtlosigkeit an. Nur mit
viel Mühe konnte sie sich wach halten und sie versuchte, wieder auf die Beine
zu kommen. Da trat ihr Bruder sie in die Rippen: „Das ist für die Schande, die
du mir gemacht hast, du elendes Miststück!“
Wimmernd rollte
sich die Zwergin zusammen und versuchte mit den Armen ihren Kopf zu schützen.
Mergol holte mit dem Socken aus, doch ehe er Camy damit schlagen konnte, packte
ihn jemand am Arm, blockte den Schlag und sein Todschläger sauste ihm
unkonrolliert ins Gesicht. Er traf ihn auf der Nase und ein lautes Knacken war
zu hören. Sofort schoß Blut hervor: die Nase war unzweifelhaft gebrochen.
Wulfgast hatte sich
lautlos heran geschliechen und Mergol daran gehindert zu zu schlagen. „Na na
na. Drei gegen einen. Und dann auch noch gegen eine unbewaffnete, kleine,
schwache Zwergin. Das nennt ihr nun mutig? Wollt ihr euren Mut nicht mal
richtig beweisen und dem alten Trottel zeigen, was ihr so drauf habt?“ Er ließ
Mergols Arm los und sofort sank dieser jammernd und seine blutige Nase haltend
auf die Knie. Benommen saß er am Boden. Tränen schoßen ihm in die Augen und
machten es ihm unmöglich klar zu sehen, geschweige denn zu kämpfen.
Kurz funkelte
Unsicherheit in Debors Augen auf, aber sofort wich das Funkeln dem Trotz. ‚Wir sind 2 gestandene Mannsbilder gegen
diesen alten Sack. Was kann er uns schon tun?‘ dachte er überheblich und
brachte sich in Kampfstellung.
***
Viel Spass beim Lesen. Mein Dank an Raziael, der mich inspiriert und unterstützt. Eure Rina Smaragdauge
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