Mittwoch, 4. September 2013

Kapitel : Ein ungleiches Paar



Kapitel 8: Ein ungleiches Paar
Ha, ha! Sehr lustig, wirklich sehr lustig!“ grummelte der Zwerg. Auch er
hatte sich für die Reise schwer beladen. Über seiner Rüstung aus gehärtetem
Leder trug er ein feingliedriges Kettenhemd und an seinem Gürtel hingen 2
kleine Wurfäxte und eine schwere, zweihändige Axt. Auf seinem Rücken hatte
er ebenfalls einen Rucksack, an dem er neben dem Kochgeschirr seinen Helm
befestigt hatte. ‚Hoffentlich verwechselt er die beiden Sachen nicht… Es sähe ganz schön unzwergisch aus, wenn er mit dem Topf auf dem Schädel in den Kampf ziehen würde. Oder es wäre ziemlich unappetitlich wenn er die Suppe im Helm zubereitet.‘ dachte Camy, behielt aber diesen Kommentar lieber für sich. ‚Aber zumindest hat er an das Kochgeschirr gedacht.‘ schimpfte sie sich in Gedanken, denn sie hatte sich ohne auf die lange Reise gemacht.

„Hier, das soll ich dir von meinem Bruder geben.“ brummte er und gab ihr einen
Zettel. „Was ist das?“ wollte sie wissen. „Was weiss ich denn. Der Brief ist an
dich und es geht mich nichts an, was er dir zu sagen hat. Und da es mich nicht
im Geringsten interessiert, hab ich ihn auch nicht gelesen.“ knurrte er mürrisch
und zog die Riemen des Rucksackes fester.

„Komm jetzt du Trödelliese, lesen kannst du das später. Wenn wir rasten. Ich
will nicht länger als nötig für dich das Kindermädchen spielen.“
Mit diesen Worten stapfte er übelgelaunt los und Camy hatte Mühe ihm zu
folgen. Nach einer Viertelstunde Fußmarsch kamen sie zum Stollen, der zum
Großen Tor führte. Camy blieb stehen und blickte zurück. „Was denkst du,
wann werden wir wieder kommen?“ fragte sie. „Je eher desto besser. Aber wenn
du weiter herum trödelst wird es viel länger dauern. Auf dieser Fahrt kommt es
vor allem auf dich an. Es liegt allein an dir, wann wir heimkehren. Ich hab den
Auftrag erhalten, dich so lange zu begleiten wie nötig und auf dich aufzupassen.
Aus welchem Grund auch immer, aber mein Bruder hätte dich gern unversehrt
wieder. Also Mädchen, weiter. Ich will noch eine gute Strecke hinter uns
bringen, ehe die Nacht anbricht.“ Die Schmiedin nickte und ging stumm weiter.
Sie wollte ihren Weggefährten nicht schon in der ersten Stunde ihrer Reise
verärgern. Immerhin hatten sie ja noch einen langen Weg vor sich und sie war
nun mal auf ihn angewiesen, wenn sie nicht gleich von ein paar Orks gefressen
werden wollte.

Nach einer Weile erreichten sie das Große Tor mit den beiden 20 Meter hohen
steinernen Wächtern. Sie hielten ihre Äxte kampfbereit in den Händen und
warnten jeden der vorbei kam mit grimmigem Blick. Es schien als würden ihre
Augen funkeln und sagen: Wehe dir, wenn du böses im Schilde führst. Leg dich nicht mit uns an, wir sind ZWERGE!

15 Meter hinter dem Tor fiel der Berg senkrecht ab und kein Weg führte von
außerhalb des Gebirges in Camys Heimat. Die Zwergeningenieure hatten schon
vor langer Zeit eine Vorrichtung ersonnen, mit der man sich auf Plattformen ,
die von schweren Eisengeländern umrandet waren, von oben nach unten fahren
lassen konnte und die Zwerge nannten es Aufzug. Ein ausgeklügeltes System mit
vielen Zahnrädern und Eisenketten zogen auf den Plattformen schwere Lasten,
Besucher oder Krieger in die Höhe beziehungsweise ließen sie herab. So war
Camys Clan wenigstens von einer Seite des Gebirges gut geschützt und nie hatte
ein Ork oder ein anderer Feind Camys Heimat durch das Große Tor betreten.
Die Gefahr kam immer aus dem Osten, wo der Eingang zum Gebirge durch eine
steinerne Wehrmauer und einem starken Eichentor gesichert war. Auf dem
Wehrgang patroulierte die Zwergenwacht und ein Außenposten schützte eine
kleine Siedlung, in der sich einige Zwerge niedergelassen hatten um
Landwirtschaft zu betreiben.

Wulfgast befahl den Torwachen, sie nach unten zu lassen. Feixend wies der
Mann der Zwergenwacht sie zu einer Plattform und öffnete ihnen mit der
unterwürfigen Verbeugung eines Dieners den Durchgang zur Plattform. Als sich
der Zwerg an ihm vorbeidrängte, murmelte der Wächter: „Also mir würde es ja
stinken, die Amme für so eine zu spielen.“ Wulfgast packte ihn fest am Arm
und funkelte ihn böse an. „Für so eine Aufgabe kann man eben nicht so mir
nichts dir nichts einen dahergelaufenen Zwerg der Wacht nehmen. Da muss man
schon den Besten auswählen.“ Er stieß den Zwerg zur Seite und zog Camy auf
die Plattform. „Danke, dass du dem Bescheid gestoßen hast.“ wisperte sie.
„Nichts zu danken.“ knurrte er zurück. „Ich bin der Beste, keine Frage. Aber das
heißt nicht, dass es mir nicht tatsächlich stinkt, mit dir gehen zu müssen.“
Schweigend fuhren sie nach unten und Camy hörte noch die abfälligen
Bemerkungen der Zwergenwacht. Tränen stiegen ihr in die Augen. „Und warum
kommst du dann trotzdem mit? Spielst den Beschützer einer ‘unehrenhaften‘
Zwergin? “ fragte sie leise. „Weil es mir mein Bruder auferlegt hat. Deshalb und
aus keinem anderen Grund. Ich erlaube mir kein Urteil über das was gerecht
oder ungerecht ist oder vielleicht unehrenhaft, weil ich von solchen Dingen
nichts weiß. Ich bin nur der Zweitgeborene. Wenn du auf solche Fragen eine
Antwort erwartest, dann frag meinen Bruder. Ich weiß auch nicht, was er sich
dabei gedacht hat.“

Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach und nachdem sie Wulfgast so
angefahren hatte, hielt die Zwergin eingeschüchtert den Mund. Das Wetter
meinte es gut mit ihnen, die Sonne hatte sich hinter Wolken versteckt und stach
ihnen nicht ganz so unangenehm in den Augen. Es war Frühling, die Bäume
trugen schon die ersten Knospen und das Gras begann zu duften. Immer wieder
wurde Camy von Wulfgast zur Eile angetrieben, denn seiner Meinung nach
wanderte sie nicht, sondern spazierte in der Gegend herum. Nach drei Stunden
Marsch hielten sie endlich an einem kleinen Bachlauf und rasteten. Camy zog
ihre Schuhe aus und hielt ihre müden Füße ins Wasser. Dann zog sie den Brief
aus der Tasche und las:

„An Camy Silberblick,

mittlerweile wirst Du aufgebrochen sein und meinen Bruder Wulfgast
kennengelernt haben. Ich wünsche Dir eine gute Reise und viel Glück. Hier habe ich Dir die Namen der Meisterschmiede aufgeschrieben:

1. Garbor ‚Steinbeißer’Eisenfaust, Schmiedemeister vom Clan der
Hammerstahls. Er wird den Kopf des Zeremonienhammers anfertigen.

2. Margwart Stahlblick, Schmiedemeister vom Clan der Sicherschlags. Er
fertigt den Krähenschnabel an.

3. Thadeus Breithand, Schmiedemeister vom Clan der Starkarme. Breithand fügt den Griff hinzu.

4. Sigrun Schimmerbart, Goldschmiedemeisterin vom Clan der
Schimmerbarts. Sigrun verziert den Hammer mit Goldrunen und Gravur.
Wulfgast kennt den Weg, er ist viel in unseren Gebirgen unterwegs gewesen, er wird Dir ein guter Reiseführer sein.

Zu guter Letzt: passt gut auf Euch auf. In der Hoffnung Euch bald wohlbehalten in der Heimat begrüßen zu können,

Torgast Hammerhand

P.s.: Ehrhild läßt schön grüßen.

„Was schreibt denn mein holder Bruder?“ wollte Wulfgast schmatzend wissen,
der mittlerweile neben Camy Platz genommen hatte und an einem Kanten Brot
herum kaute. „Er hat eine Liste geschickt. Als erstes müssen wir zum Clan der
Hammerstahls. Du wüsstest wie wir da hin gelangen.“ Wulfgast nickt. „Bis zu
den Hammerstahls ist es nicht ganz so weit. In einer Woche müssten wir dort
sein. So, wir haben lange genug gerastet. Wir brechen auf.“

***

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