Kapitel
10: Große Klappe, doch nichts dahinter
Debor atmete noch ein letzte Mal tief durch, ehe er seinem
Begleiter das Zeichen für den Angriff gab. Gemeinsam stürzten sie auf den alten
Zwerg zu und versuchten ihn mit ihren Todschlägern zu erwischen. Doch ehe sich
die beiden versahen, war er den Schlägen behände ausgewichen. Höhnisch grinsend
und auf seine Axt gestützt besah er sich seine Angreifer feixend. „Nun, geht es
jetzt endlich los? So ein alter Trottel wie ich hat nicht ewig Zeit. Ich will
das hier hinter mich bringen, ehe ich an Altersschwäche sterbe.“
„Na warte. Gerwyn
und ich haben ja noch nicht mal angefangen, dir ein zu heizen.“ knurrte Debor,
warf den Todschläger beiseite und zog sein schartiges Schwert. Der Zwerg namens
Gerwyn schlang sich den Todschläger fester um die Hand, stapfte in Richtung
Wulfgast und täuschte einen Angriff vor. Der alte Zwerg hatte die Finte
gerochen und machte eine schnelle Drehung und duckte sich unter dem Schlag
hindurch. Mit dem Axtstiel schlug er nach den Beinen und fegte sie unter ihm
weg. „Uff.“ stöhnte Gerwyn, als er scheppernd auf dem Hosenboden landete.
Debor nutzte die
Gelegenheit und startete ebenfalls seinen Angriff und drosch linkisch und
unbeholfen auf Wulfgast ein, der die Hiebe lächelnd und ohne große Mühe mit dem
Axtstiel abwehrte. Bald wurde Camys Bruder müde, während der mindestens 3 mal
so alte Zwerg noch nicht einmal außer Puste war. Mittlerweile hatte sich Gerwyn
aufgerappelt und schlich sich hinterrücks an den Begleiter Camys heran, doch
der Wind stand ziemlich ungünstig für ihn und der Zwerg hatte schon eine Weile
kein Bad mehr genommen. So konnte Wulfgast den Angriff förmlich riechen.
Er machte einen
kleinen Ausfall, hieb zuerst Debor mit dem Stiel auf die Nase, dann stieß er
rücklings mit dem Axtkopf in Gerwyns Bauch. Der heftige Schlag nahm ihm den
Atem und nach Luft ringend sank er auf die Knie. Nun hatte sich auch Mergol
wieder gefangen und rappelte sich auf. Halbherzig stolperte er auf Wulfgast zu,
holte mit dem Todschläger aus und…. verfehlte den Zwerg. Statt dessen blieb er
mit der Socke in einem tiefhängenden Ast hängen und entwaffnete sich selbst.
Überrascht sah er zu Wulfgast hinüber, der sich fröhlich pfeiffend auf seine
Axt stützte. Mergol blickte sich ängstlich nach einer Waffe um. Ein Stock oder
so etwas Ähnliches hätte ihm ja schon genügt. „Na Jüngelchen? Soll dir der alte
Sack mal eben den Hosenboden stramm ziehen?“
„Nein. Bitte nicht.
Ich denke, sie haben genug. Laß sie vom Haken, Wulfgast.“ Schwankend und
käseweiß im Gesicht hatte sich Camy zwischen Wulfgast und die 3 Angreifer
gestellt. „Sie haben ihre Lektion erteilt bekommen.“ Beinahe flehend schaute
sie Wulfgast an. „Bitte, ich muß doch wieder nach Hause. Es wird ohnehin schon
schwer genug dort für mich. Wenn du ihnen jetzt den Rest gibst, wird es bestimmt
noch schlimmer.“ flüsterte sie nur für ihren Beschützer hörbar.
Wulfgast nickte
knapp und in seinem Gesicht spiegelte sich leichte Enttäuschung. „Na gut. Ihr
entschuldigt euch bei Camy und dann trollt ihr euch so schnell ihr könnt.“ Er
zog die 3 nacheinander auf die Beine. Die Schmiedin zuckte mit den Schultern:
„Ich brauche keine Entschuldigung, die ohnehin nicht ernst gemeint ist. Ich
verzichte darauf.“ Der Zwerg nickte und gab den dreien zum Abschied mit dem
Axtstiel einen Klaps auf den Hintern.
„Das nächste Mal…“
er hob drohend die Waffe… „bin ich nicht so gnädig. Dann mache ich euch kleine
Windelkacker einen oder auch 2 Köpfe kürzer.“ Dann nahm er ihnen die Waffen ab.
„Zu guter Letzt noch einen guten Rat für auf den Weg: blutet nicht zu dolle,
daß lockt nur Warge und Orks an.“
Als sie endlich
gegangen waren, drehte sich Wulfgast zu Camy um, die sich mit zitternden Knien
an einen Baum gelehnt hatte. „Und nun zu dir. Warum im Namen des großen
Schmieds hast du dich nicht gewehrt?! Wälzt dich wimmernd im Dreck herum wie
ein geprügelter Hund!“ Zu spät hatte er die Tränen bemerkt, die über die Wangen
der schmächtigen Zwergin liefen. ‚Ach
Scheiße, jetzt heult sie auch noch.‘ dachte er grummelnd und bereute seine
harschen Worte ein bißchen.
„Ich…ich…ich...
weiß doch gar nich wie…Ich hab nur gelernt…“ schluchzte die Schmiedin. „Was
gelernt?“ unterbrach er sie barsch. „Dich zu ducken und abzuwarten bis es
vorbei ist?! Lieber stillschweigend alles, wirklich alles, zu ertragen und eher
ein zu stecken als aus zu teilen?“ Mit diesen Worten griff er zu seinen Beilen
und warf sie Camy vor die Füße. „Hier, daß sind jetzt deine Waffen. Ab morgen
wirst du lernen damit umzugehen. Dann lernst du eben nicht nur das Kochen von
mir, sondern auch das Kämpfen. Neben Gehorsamkeit sind das die 2 Dinge, die ein
Zwerg an einer Zwergin besonders schätzt…glaub ich.“
Er ging zu Camy
hinüber, packte sie sanft am Arm und zog sie zum Lagerfeuer. „So, nun versorge
ich deinen Kopf und dann gehen wir schlafen. Sonst geht es dir gut? Haben sie
dir noch etwas getan?“ fragte er mit einem Anflug von Besorgnis in der Stimme.
Camy schüttelte verneinend den Kopf.
„Danke. Du warst
heute richtig toll. Ich bin froh, daß du mit mir auf Reisen bist. Ohne dich
wäre ich heute bestimmt nicht nur mit einer Beule am Kopf davon gekommen.“ Sie
drückte dem Zwerg schüchtern die Hand. Zum Glück leuchteten ihre Gesichter
durch das Lagerfeuer ohnehin schon rötlich, sonst wäre der Zwergin aufgefallen,
daß Wulf gast unter seinem struppigen Bart verlegen errötete. „Nichts zu
danken. Irgendwie hat es mir auch Spaß gemacht, die 3 Weichzwerge zu
vermöbeln.“
***
Kapitel
11: (Nass)Kalt erwischt!
Die beiden Zwergen hatten nach dem dreisten Überfall nur
einen sehr unruhigen Schlaf gefunden. Wulfgast hatte die Zwergin weinen hören,
obwohl sie versuchte es vor ihm zu verbergen. Aber ihr Selbstmitleid konnte er
gut in Wut verwandeln und in den Unterrichtsstunden mit ihr anwenden. Langsam
verstand er, warum sie sich mit solch albernen Streichen an den männlichen Zwergen
gerächt hatte. Irgendwann hatte auch der friedfertigste die Schnauze von diesen
Demütigungen voll. Und gegen ihre Brüder und den Vater konnte sie sich einfach
nicht zur Wehr setzen; Familie bleibt eben Familie. Oder wie die Menschen gerne
sagten: Blut ist dicker als Wasser. Das wußte er nur zu gut, denn sein eigener
Bruder warf einen großen Schatten, zu groß als das er aus ihm heraustreten
könnte.
Als das erste
rötliche Schimmern am Himmel aufflackerte, stand er leise auf, reckte die
steifen Glieder und ging Feuerholz suchen. Dann entfachte er ein gemütliches,
warmes Zwergenfeuer, ehe er mit seinem Kessel an den kleinen Bach ging um
Wasser zu holen. Camy schlief immer noch fest und zuckte noch nicht einmal mit
der Wimper als der Krieger mit dem Kessel klapperte: ein Troll hätte durch das
Lager trampeln können ohne das die Schmiedin aufgewacht wäre.
Vorsichtig trug er
das eiskalte Nass zurück, besah sich die Zwergin eine kleine Weile und
überlegte wie er sie am besten Wecken könnte. Dann fiel ihm die passende
Möglichkeit ein: grinsend kippte er schließlich den Kübel über ihr aus.
Schreiend und prustend schreckte Camy aus dem Schlaf, sprang quickend auf und
wollte dem Zwerg an die Gurgel springen. Doch ihr Fuß verhedderte sich in einer
Decke und sie fiel der Länge nach direkt vor Wulfgasts Füße.
„Na, bist du jetzt
wach?“ fragte er hämisch auf sie herab grinsend. „Dann Lektion 2: immer
kampfbereit sein, vor allem in der freien Natur. Du weißt nie was dich
erwartet. Also lass dir Augen am Hinterkopf wachsen, höre immer gut auf die
Umgebung und schlafe nie so tief, daß du den Angriff womöglich verpennst und
eines Morgens tot aufwachst.“ Er zeigte auf den leeren Kessel. „So, nun gehst
du zum Bach und holst frisches Wasser.“
Grummelnd rappelte
sich die Zwergin auf, schnappte sich ihren Umhang und rieb sich einigermaßen
trocken. Dann stiefelte sie zum Bach, aber nicht ohne dem Zwerg noch einen böse
funkelnden Blick zu zuwerfen. Ehe sie Wasser schöpfte ging sie zunächst
Zwergenwasser abschlagen und ihren Trinkschlauch auffüllen. Sollte der alte
Knacker ruhig noch ein bißchen länger auf sein Frühstück warten. So ungeschoren
konnte sie ihn nicht davon kommen lassen. Dann ging sie langsam schlendernd
zurück zum Lager.
„Hier, das Wasser.“
rief sie ihm schon aus einiger Entfernung entgegen. Wulfgast kam ihr hilfsbereit
entgegen geeilt. „Laß mich dir den schweren Kessel doch abnehmen.“ Bot er
scheinheilig seine Hilfe an und nahm ihr den Kessle ab. Dann holt er damit aus
und erneut traf ein Schwall kalten Wassers die Schmiedin. „Hast du nicht was
vergessen?!“ Wütend und klitschnass zuckte Camy mit den Schultern: „Was denn,
verdamm mich noch eins?!“ fauchte sie Wulfgast an.“Lektion 1: Immer die Waffe griffbereit halten. Du
bist ohne deine Waffe losgezogen! Was wäre denn gewesen, wenn Orks dir
aufgelauert hätten oder sich dein Bruder mit seinen Freunden am Bach versteckt
hätte?! Du könntest nun verletzt oder sogar tot sein!“ ‚Und wer würde dafür wieder die Schuld zugewiesen kriegen?‘ fügte er
in Gedanken hinzu.
Wütend brüllte Camy
zurück: „Hättest du mir das nicht anständig sagen können? Ich werde mir noch
einen Schnupfen holen. Ich bin doch kein stinkendes Maultier, das dringend ein
Bad benötigt. Und außerdem kapiere ich auch viel schneller!“ „Sehr gut, du bist
böse auf mich. Dann hab ich dir also dein Selbstmitleid davon gespült. Genau so
soll es sein: anstatt rumzuheulen und dir selber leid zu tun bist du wütend.
Also richte doch in Zukunft deine Wut auf diejenigen, die dich demütigen oder
dir ans Leder wollen. Aber verliere dabei nie, wirklich nie, den Kopf, wenn du
dich in den Kampf stürzt. Das wird dein Gegner erkennen und es gnadenlos
ausnutzen. Und glaube mir: Gnade ist das Letzte, daß du von ihm erwarten
kannst. Denn schließlich geht es normalerweise um Leben und Tod.“
Camys Protest verstummte.
Sie hatte dem Zwerg aufmerksam zugehört, nickte dann, nahm den Kessel und eines
ihrer beiden Beile, die ihr der Zwerg am Abend zuvor vermacht hatte, und ging
erneut zum Bach. Währenddessen bereitete Wulfgast das Frühstück zu und kochte
nach Camys Rückkehr vom Bach den Kaffa. Schweigend hielt er ihr den dampfenden
Becher hin, den Camy dankbar nickend annahm. „Werde erst einmal wieder trocken
und warm. Dann geht‘ s weiter. Wir haben noch einen langen Weg. Und sei nicht
so böse auf mich, ich meine es doch nur gut mit dir.“ „Ja ja, schon gut. Aber
warte nur, bis ich eine gute Kämpferin bin. Dann kriegst du ein bißchen was
heim gezahlt. Und glaub mir: ich meine es dann auch nur gut.“ schmunzelte sie
und zwinkerte ihm zu.
„Nur nicht frech
werden, Kleine.“ grummelte der Krieger, konnte aber selber ein leichtes
Schmunzeln nur schwer unterdrücken. Nach dem Frühstück brachen sie auf und
Wulfgast legte ein schnelles Tempo vor. Das schadete ihrer Ausdauer auf keinen
Fall. Unterwegs begegneten sie bis zum Abend keiner Menschenseele und gingen
meist schweigend nebeneinander her.
In einer alten und
baufälligen Scheune richteten sie sich schließlich für die Nacht ein. Draußen
zog ein Unwetter auf und der Sturm riss an den Schindeln des alten Daches und
Klappern dröhnte laut in den Ohren der Zwerge. Ehe sie ein wärmendes Feuer
entzündeten, bekam Camy weitere Lektionen erteilt. Wulfgast zeigte ihr wie sie
das Beil zu halten hatte, wie sie am Besten zuschlug und wie man Gegenangriffe
parieren konnte. Er hatte einen alten Besenstiel gefunden und täuschte einen
Angriff nach dem nächsten vor.
Rasch kam die
Zwergin ins Schwitzen und ihr Atem ging schneller, während der Krieger nur
herausfordernd grinste und keine Anzeichen von Müdigkeit zeigte. Doch Camy
beschwerte sich nicht und folgte ohne zu Murren den Anweisungen des Kriegers.
Nach 2 Stunden ließ er von der Schmiedin ab. „Deine Reflexe sind gar nicht so
schlecht, aber du denkst zu viel nach. Behalte deinen Gegner immer gut im Auge;
achte auf die kleinsten Bewegungen und bald schon wirst du am Zucken der
Schulter erkennen können was er im Schilde führt. Finde seine Schwächen heraus
und nutze sie gegen ihn.“ Die Zwergin nickte und nahm einen großen Schluck aus
ihrem Trinkschlauch.
„Und ab heute üben
wir jeden Abend. Mach nie den Fehler und halte dich für zu gut um zu
trainieren. Du wirst hart genug dafür arbeiten müssen um richtig gut zu werden.
Wenn du dich zu sehr auf deinen Lorbeeren ausruhst, verlernst du alles wieder.“
Er packte den Stecken weg und machte sich daran ein Feuer zu entzünden. Noch
ehe es hell aufloderte und die Scheune in gemütliche Wärme tauchte, hörte er
das leise Schnarchen der Zwergin: sie war vor Erschöpfung ohne Abendessen
eingeschlafen. ‚Sie hat mehr Talent als
sie ahnt und ich zu hoffen gewagt hätte. Ehe wir nach Hause zurück kehren,
braucht sie keinen Beschützer mehr. Dann kann sie gut auf sich selbst
aufpassen.‘
Schmunzelnd nahm er
sich ein Stück getrocknete Wurst und einen Kanten Brot aus dem Proviantsack,
wickelte sich in seine Decke und hörte dem Sturm zu, dessen Melodie immer
wütender wurde. Nach einer Weile schlief auch der Krieger ein und schlief einen
traumlosen Schlaf.
* * *
Nach einer kleinen Schaffenspause geht es hier mit Camy weiter. Zur Entschädigung bekommt Ihr heute gleich 2 Kapitel zu lesen und ich wünsche Euch dabei viel Spaß. Danke an Raziael, der mir mit Rat und Tat zur Seite steht. Eure Rina Smaragdauge
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen