Mittwoch, 14. August 2013

Kapitel 5: Kopf hoch



Kapitel 5: Kopf hoch

Als Camy nach Hause kam, fand sie es verlassen vor. Ihr Vater hatte wohl mittlerweile ausgeschlafen und war vermutlich wieder in der Taverne, um sich sein miserables Leben schön zu saufen. Die Zwergin hatte gar nicht erwartet, dass er zu Hause blieb um zu erfahren, was geschehen war. In der Taverne würden sie sich ohnehin das Maul darüber zerreißen, also hatte ihr Vater eh schon gehört, was Camy angestellt hatte. Das ihr Verbannung drohte war ihm offensichtlich gleichgültig. ‚So egal wird es ihm nicht mehr sein, wenn ich fort bin und er dann kein Geld mehr hat um es zu versaufen. ‘ dachte sie verbittert.

Sie brühte sich einen Kaffa auf und setzte sich mit angezogenen Beinen in den alten, gemütlichen Sessel am Kamin. Im Kopf fertigte sie eine Liste an, mit Dingen die sie unbedingt zu erledigen hatte, ehe sie gehen musste. Es war keine sonderlich lange Liste, denn sie musste nur ihre Sachen packen und die Dinge, die sie repariert hatte, ihren Besitzern zurück bringen. Freunde oder Familie hatte sie keine, von denen sie sich verabschieden müsste. Auf einen Abschied von ihrem Vater und ihrem Bruder legte sie ebenso wenig wert wie die beiden selbst. 

Sie ging also in ihre improvisierte Schmiede, packte die Sachen ein und machte sich auf den Weg. Um nicht erkannt zu werden hatte sie sich die Kapuze ihres Umhanges weit ins Gesicht gezogen und beschlossen, allen Gesprächen aus dem Weg zu gehen und wechselte die Straßenseiten, sobald ihr jemand entgegen kam. Eigentlich hatte sie die Sachen ohne anzuklopfen einfach vor die Haustüren legen wollen, doch sie musste ja noch ihre Bezahlung einfordern. Es war nicht viel Geld was sie einnehmen würde, aber Camy würde alles gut gebrauchen können, wenn sie tatsächlich von Torgast aus dem Clan verbannt werden würde. 

Natürlich hatte es sich die Geschichte um Camys Rache schon herum gesprochen. Ihre Kundschaft reagierte, wie es die Schmiedin erwartete hatte: sie rissen ihr die Sachen aus der Hand, warfen ihr das Geld vor die Füße und schmetternden ihr dann wortlos die Tür vor der Nase zu. Vor der letzten Tür, an die sie klopfen musste, hatte sie schon jegliche Illusion verloren, dass auch nur einer sie verstehen würde. Doch sie hatte sich getäuscht. 

Eine alte Witwe gab ihr das Geld, drückte ihre Hand ganz fest und sah ihr mit verständnisvollem Blick tief in die Augen. „Ich wünsche dir nur das Beste. Vielleicht wirst du ja gar nicht verbannt. Mit ein wenig Glück hat Torgast ein Einsehen mit dir. Alles Gute und lass nur den Kopf nicht hängen.“ Dann schenkte sie ihr noch ein aufmunterndes Lächeln und schloss sanft die Tür. Camy war solche freundlichen Worte nicht gewohnt und verdutzt stand sie noch einen Moment wie angewurzelt da. ‚Glück…. Ja, ein bisschen Glück wäre zur Abwechslung mal ganz nett.‘

Sie gab sich einen Ruck und ging weiter ihres Weges. Daheim angekommen packte sie ihre Schmiedeutensilien in eine lederne Umhängetasche. Ihre abgetragene Kleidung stopfte sie in einen großen Rucksack, den Proviant konnte sie noch in den Rucksack packen, genügend Platz war noch vorhanden. Den Schmiedehammer würde sie mit einem starken Lederriemen versehen und ihn sich damit über die Schulter hängen. Die Zeit verging wie im Fluge, wenn sie Beschäftigung hatte. Aber sobald nichts mehr zu erledigen war, kam sie ins Grübeln und die Zeit bis zum nächsten Morgen schien eine Ewigkeit zu dauern. Weit nach Mitternacht raffte sie sich auf und ging zu Bett. Sie musste wenigstens versuchen, ein bisschen Schlaf zu bekommen. Der nächste Morgen würde gewiss anstrengend werden. 

‚Es ist schon merkwürdig, dass ich mir jahrelang ein anderes Leben gewünscht habe. Und nun, da mir jetzt vielleicht eines bevorsteht, mag ich mein bisheriges Leben gar nicht aufgeben. Auch wenn es noch so bescheiden war…Wenn ich nun wirklich gehen muss, was wird dann aus mir? Ich komme doch in der Welt der Großen gar nicht zurecht. Sie mögen uns Zwerge nicht und erinnern sich nur an uns, wenn sie in Not sind oder unsere handwerklichen Fähigkeiten benötigen. Ansonsten sind sie nur neidisch auf unsere Schätze und Metalle. Sie halten uns für habgierig und geizig, weil unser Volk nicht in der Weltgeschichte herumläuft und mit vollen Händen Goldklumpen durch die Gegend wirft. Das auch Zwerge schuften müssen um die Reichtümer abzubauen, um die großartigen Hallen und weitläufigen Tunnel in stand zu halten, die ganze Zeit und Mühe die es gekostet hat meine Heimat zu dem zu machen, was sie ist…Davon wissen die Menschen doch nur sehr wenig. Und verbannte Zwerge mögen sie noch viel weniger…‘

Das erste Mal seit sie zu Torgast gerufen wurde, stiege ihr Tränen in die Augen. Sie würde ihre Heimat verlassen müssen, ihr schäbiges zu Hause. Sie führte kein aufregendes Leben, war kein angesehener Bestandteil dieser Sippe, aber hier kannte sie sich aus, war hier aufgewachsen. Hier war sie sicher, weil es ja noch die Zwergenwacht gab, die die Grenzen sicherten. „Mir war bislang gar nicht bewusst, wie sehr ich dieses Gebirge liebe und wie gern ich hier bleiben würde.“ schluchzte sie und verbarg ihr Gesicht im Kissen. Verzweifelt dachte sie über einen Ausweg nach, doch in ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken und wollten sich einfach nicht ordnen lassen. Vor dem Einschlafen allerdings regten sich ihr Stolz und die Sturheit der Zwerge. ‚Wenn er mich verbannt, dann werde ich gehen. Aber ich will tot umfallen wenn ich auf Knien darum bettle, bleiben zu dürfen! Sie mögen mich zwar fort schicken, aber ich werde verdammich noch eins mit erhobenem Haupt gehen und die Suppe auslöffeln, die ich mir eingebrockt habe! ‘

Nach unruhigem Schlaf und wirren Träumen erwachte die Zwergin und fühlte sich, als sie hätte sie gar nicht geschlafen. Für einen Moment dachte sie schon, alles wäre nur ein böser Traum, doch als ihr Blick auf ihre gepackten Habseligkeiten fiel, wusste sie, dass es bedauerlicher Weise kein Alptraum war. Sie sah zum Fenster: es war noch genug Zeit, um sich hübsch zu machen. Sie wusch sich von Kopf bis Fuß gründlich und band ihre langen Haare im Nacken mit einer Lederschnur zu einem lockeren Zopf zusammen. Dann zog sie ihr bestes Kleid an und besah sich zufrieden im Spiegel. „Nicht schick genug für eine Audienz bei unserem König, aber für Torgast gut genug.“ murmelte sie. „Und jetzt Kopf hoch! Du bist eine Zwergin vom Clan der Stahlfäuste, ob sie das wahrhaben wollen oder nicht: auch ich hab meinen Stolz…und Ehre!“

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Viel Spass beim Lesen, Rina. Und Danke an Raziael für seine tolle Unterstützung
 

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