Kapitel 5:
Kopf hoch
Als Camy nach Hause kam, fand sie es verlassen vor. Ihr
Vater hatte wohl mittlerweile ausgeschlafen und war vermutlich wieder in der
Taverne, um sich sein miserables Leben schön zu saufen. Die Zwergin hatte gar
nicht erwartet, dass er zu Hause blieb um zu erfahren, was geschehen war. In
der Taverne würden sie sich ohnehin das Maul darüber zerreißen, also hatte ihr
Vater eh schon gehört, was Camy angestellt hatte. Das ihr Verbannung drohte war
ihm offensichtlich gleichgültig. ‚So egal
wird es ihm nicht mehr sein, wenn ich fort bin und er dann kein Geld mehr hat
um es zu versaufen. ‘ dachte sie verbittert.
Sie brühte sich
einen Kaffa auf und setzte sich mit angezogenen Beinen in den alten,
gemütlichen Sessel am Kamin. Im Kopf fertigte sie eine Liste an, mit Dingen die
sie unbedingt zu erledigen hatte, ehe sie gehen musste. Es war keine sonderlich
lange Liste, denn sie musste nur ihre Sachen packen und die Dinge, die sie
repariert hatte, ihren Besitzern zurück bringen. Freunde oder Familie hatte sie
keine, von denen sie sich verabschieden müsste. Auf einen Abschied von ihrem
Vater und ihrem Bruder legte sie ebenso wenig wert wie die beiden selbst.
Sie ging also in
ihre improvisierte Schmiede, packte die Sachen ein und machte sich auf den Weg.
Um nicht erkannt zu werden hatte sie sich die Kapuze ihres Umhanges weit ins
Gesicht gezogen und beschlossen, allen Gesprächen aus dem Weg zu gehen und
wechselte die Straßenseiten, sobald ihr jemand entgegen kam. Eigentlich hatte
sie die Sachen ohne anzuklopfen einfach vor die Haustüren legen wollen, doch
sie musste ja noch ihre Bezahlung einfordern. Es war nicht viel Geld was sie
einnehmen würde, aber Camy würde alles gut gebrauchen können, wenn sie
tatsächlich von Torgast aus dem Clan verbannt werden würde.
Natürlich hatte es
sich die Geschichte um Camys Rache schon herum gesprochen. Ihre Kundschaft
reagierte, wie es die Schmiedin erwartete hatte: sie rissen ihr die Sachen aus
der Hand, warfen ihr das Geld vor die Füße und schmetternden ihr dann wortlos
die Tür vor der Nase zu. Vor der letzten Tür, an die sie klopfen musste, hatte
sie schon jegliche Illusion verloren, dass auch nur einer sie verstehen würde.
Doch sie hatte sich getäuscht.
Eine alte Witwe gab
ihr das Geld, drückte ihre Hand ganz fest und sah ihr mit verständnisvollem
Blick tief in die Augen. „Ich wünsche dir nur das Beste. Vielleicht wirst du ja
gar nicht verbannt. Mit ein wenig Glück hat Torgast ein Einsehen mit dir. Alles
Gute und lass nur den Kopf nicht hängen.“ Dann schenkte sie ihr noch ein
aufmunterndes Lächeln und schloss sanft die Tür. Camy war solche freundlichen
Worte nicht gewohnt und verdutzt stand sie noch einen Moment wie angewurzelt
da. ‚Glück…. Ja, ein bisschen Glück wäre
zur Abwechslung mal ganz nett.‘
Sie gab sich einen
Ruck und ging weiter ihres Weges. Daheim angekommen packte sie ihre
Schmiedeutensilien in eine lederne Umhängetasche. Ihre abgetragene Kleidung
stopfte sie in einen großen Rucksack, den Proviant konnte sie noch in den
Rucksack packen, genügend Platz war noch vorhanden. Den Schmiedehammer würde
sie mit einem starken Lederriemen versehen und ihn sich damit über die Schulter
hängen. Die Zeit verging wie im Fluge, wenn sie Beschäftigung hatte. Aber
sobald nichts mehr zu erledigen war, kam sie ins Grübeln und die Zeit bis zum
nächsten Morgen schien eine Ewigkeit zu dauern. Weit nach Mitternacht raffte
sie sich auf und ging zu Bett. Sie musste wenigstens versuchen, ein bisschen
Schlaf zu bekommen. Der nächste Morgen würde gewiss anstrengend werden.
‚Es ist schon merkwürdig, dass ich mir jahrelang ein
anderes Leben gewünscht habe. Und nun, da mir jetzt vielleicht eines
bevorsteht, mag ich mein bisheriges Leben gar nicht aufgeben. Auch wenn es noch
so bescheiden war…Wenn ich nun wirklich gehen muss, was wird dann aus mir? Ich
komme doch in der Welt der Großen gar nicht zurecht. Sie mögen uns Zwerge nicht
und erinnern sich nur an uns, wenn sie in Not sind oder unsere handwerklichen
Fähigkeiten benötigen. Ansonsten sind sie nur neidisch auf unsere Schätze und
Metalle. Sie halten uns für habgierig und geizig, weil unser Volk nicht in der
Weltgeschichte herumläuft und mit vollen Händen Goldklumpen durch die Gegend
wirft. Das auch Zwerge schuften müssen um die Reichtümer abzubauen, um die großartigen
Hallen und weitläufigen Tunnel in stand zu halten, die ganze Zeit und Mühe die
es gekostet hat meine Heimat zu dem zu machen, was sie ist…Davon wissen die
Menschen doch nur sehr wenig. Und verbannte Zwerge mögen sie noch viel
weniger…‘
Das erste Mal seit
sie zu Torgast gerufen wurde, stiege ihr Tränen in die Augen. Sie würde ihre
Heimat verlassen müssen, ihr schäbiges zu Hause. Sie führte kein aufregendes
Leben, war kein angesehener Bestandteil dieser Sippe, aber hier kannte sie sich
aus, war hier aufgewachsen. Hier war sie sicher, weil es ja noch die
Zwergenwacht gab, die die Grenzen sicherten. „Mir war bislang gar nicht
bewusst, wie sehr ich dieses Gebirge liebe und wie gern ich hier bleiben
würde.“ schluchzte sie und verbarg ihr Gesicht im Kissen. Verzweifelt dachte
sie über einen Ausweg nach, doch in ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken
und wollten sich einfach nicht ordnen lassen. Vor dem Einschlafen allerdings regten
sich ihr Stolz und die Sturheit der Zwerge. ‚Wenn
er mich verbannt, dann werde ich gehen. Aber ich will tot umfallen wenn ich auf
Knien darum bettle, bleiben zu dürfen! Sie mögen mich zwar fort schicken, aber
ich werde verdammich noch eins mit erhobenem Haupt gehen und die Suppe
auslöffeln, die ich mir eingebrockt habe! ‘
Nach unruhigem
Schlaf und wirren Träumen erwachte die Zwergin und fühlte sich, als sie hätte
sie gar nicht geschlafen. Für einen Moment dachte sie schon, alles wäre nur ein
böser Traum, doch als ihr Blick auf ihre gepackten Habseligkeiten fiel, wusste
sie, dass es bedauerlicher Weise kein Alptraum war. Sie sah zum Fenster: es war
noch genug Zeit, um sich hübsch zu machen. Sie wusch sich von Kopf bis Fuß
gründlich und band ihre langen Haare im Nacken mit einer Lederschnur zu einem
lockeren Zopf zusammen. Dann zog sie ihr bestes Kleid an und besah sich
zufrieden im Spiegel. „Nicht schick genug für eine Audienz bei unserem König,
aber für Torgast gut genug.“ murmelte sie. „Und jetzt Kopf hoch! Du bist eine
Zwergin vom Clan der Stahlfäuste, ob sie das wahrhaben wollen oder nicht: auch
ich hab meinen Stolz…und Ehre!“
***
Viel Spass beim Lesen, Rina. Und Danke an Raziael für seine tolle Unterstützung
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