Kapitel 4:
Hinter jedem starken Mann, steht eine kluge Frau
Missgelaunt machte sich auch das Oberhaupt auf den
Heimweg. Seine Laune war in der letzten Zeit ohnehin ständig schlecht: die
Angriffe der Orks nahmen zu, denn auch sie hatten von der merkwürdigen
Krankheit, die die Zwerge befallen hatte, gehört. Seine Männer wurden langsam
kampfmüde und diese Erkrankung, die vor Monaten dutzende seines Volkes
dahingerafft hatte, war zwar überstanden, hatte aber vor niemandem halt
gemacht. Es hatte auch viele junge, gesunde Krieger unter den Toten gegeben und
die Scharmützel mit den Orks forderten auch immer mehr Opfer. Die Zwergenwacht
verlor zu viele Kämpfer und zu wenige gute, junge Zwerge rückten nach. Und nun
nahm die Zwergenwacht eben auch solche Leute wie diesen Mergol auf…
Und wären das nicht
schon genug Probleme, musste er sich zu allem Überfluss auch noch mit solchen
Kindereien wie von dieser Camy herum ärgern. Wütend warf er die Haustür ins
Schloss und ging in die Küche, um sich mit einem Humpen Bier zu beruhigen.
„Du bist früh zu
Hause.“ „Wieso, komme ich dir etwa ungelegen?“knurrte er seine Frau an. „Ja,
ein wenig schon, wenn du vorhast mir beim Essenkochen im Weg zu stehen.“ erwiderte
Ehrhild und lächelte. Sie gab ihm einen Kuss zur Begrüßung, schaute ihn
musternd in die Augen und machte ein fragendes Gesicht. „Was ist los? Was hat
dir so die Laune verdorben?“
„Abgesehen von den
normalen Problemen?! Diese Camy Silberblick hat sich da schon wieder so eine
Unverschämtheit geleistet. Du weißt von wem ich rede, oder?“ „Ja, das Mädchen,
das die Rüstungen von 2 Zwergen ein wenig verändert hatte.“ „Pah! Ein wenig
verändert!“ schnaubte er. „Ein wenig ist gut. Dem einen hat sie einen riesigen
Phallus an die Rüstung geschmiedet und dem anderen ‚Ich prelle stets die Zeche und zahle nie meine Rechnungen’ auf den
Rücken graviert. Aber das heute, dass ging definitiv zu weit! Ich habe eh schon
zu wenig Männer, die ich auf Orkjagd schicken kann und dann fällt mir noch
einer aus wegen dieser lächerlichen Racheaktion!“ Er holte tief Luft und nahm
einen großen Schluck aus seinem Humpen.
„Weißt du, was sie
gemacht hat?! Dieses kleine Biest hat alle Gelenke versteift. Die Nieten an den
Kniegelenken, den Armgelenken und an der Hüfte waren alle verlötet! Der arme
Trottel lässt sich also die Rüstung anlegen und sein dämlicher Kumpel lässt die
Halteketten einrasten…“ „Welche Halteketten?“ „Na die verhindern, dass man
während des Kampfes die Rüstung verliert… Dann erst merken die beiden
Hornochsen, dass diese Camy nicht nur die Rüstung instand gesetzt hat, sondern
auch so geändert hat, dass sich kein Gelenk mehr beugen lässt und jetzt kommt
das Allerbeste! Sie hat sich noch was ganz raffiniertes einfallen lassen… Die
kleinen Karabiner, in die man die Halteketten einrasten lässt, gehen zwar zu,
aber nicht mehr auf! Der Kerl steckt also absolut bewegungsunfähig in seiner
Rüstung fest, bis jemand ihn rausgeschnitten hat! Und so steht er da wie eine
Strohpuppe, an denen unsere Soldaten das Kämpfen üben! Seine Kumpel haben ihn
auf einer Sackkarre zu mir bringen müssen, weil er nicht mal einen einzigen
Schritt machen kann! Und Gnade ihm unser großer Schmied, wenn er in den
nächsten 2 Stunden Zwergenwasser abschlagen muss!“
Seine Frau fing
lauthals an zu lachen. „Das ist nicht komisch, Weib!“ knurrte Torgast sie an.
„Doch, ist es.“ prustete sie. „Nein, ist es nicht.“Doch nachdem er sich den
ganzen Ärger von der Seele geredet hatte, musste auch er sich eingestehen, dass
es schon zum Schreien komisch aussah wie sie Mergol auf der Sackkarre in die
Ratshalle gerollt hatten. Er grinste: „Ja gut, vielleicht doch ein bisschen.“
Er wartete, bis sich seine Frau von ihrem Lachanfall beruhigt hatte. „Eins hab
ich dir noch gar nicht erzählt. Sie hat von ihm sogar einen Aufpreis von 2
Silberstücke verlangt, weil sie bis in die Nacht an der Rüstung gearbeitet
hatte. Und der Idiot hat den Aufpreis auch noch bezahlt!“ Er erzählte seiner
Gattin die ganze Geschichte und ließ auch nicht Mergols schlechtes Benehmen
aus. Seine Frau schmunzelte: „Geschieht ihm ganz Recht. Wie man in den Stollen hinein
ruft, so tönt auch das Echo. Was gedenkst du mit dem Mädchen zu tun?“ fragte
sie dann ernst.
„Sie ist dennoch zu
weit gegangen, ganz gleich, ob der Kerl diese Demütigung nun verdient hat oder
nicht. Wir führen Krieg mit den Orks und kämpfen ums Überleben unseres Volkes.
Wir können uns solche Scharmützel innerhalb der eigenen Reihen einfach nicht leisten.
Wir sind doch alle aus demselben Stein gehauen und müssen zusammen halten.“ „Du
redest doch nicht etwa von Verbannung?!“ „Ich fürchte schon.“ Ehrhild
schüttelte den Kopf. „Nein Mann. Das kannst du diesem Mädchen nicht auch noch
antun.“ Fragend sah Torgast seine Gattin an. „Was meinst du denn mit: ‚auch noch antun‘?“ „Weißt du denn nicht,
wessen Tochter sie ist?“ Torgast nickte: „Doch, das weiß ich nur zu gut. Wie
könnte ich ihren Vater jemals vergessen?“ „Und hast du schon irgendwann einmal
gehört, wie sie über ihn reden?“ Er nickte. Im Gesicht der Zwergin spiegelte
sich mit einem Male Traurigkeit: „Sie reden ebenso schlecht über seine Tochter.
Das arme Ding wird genau so verachtet wie er. Du hast ja keine Ahnung, wie hart
sie arbeitet um ihn und sich über Wasser halten zu können. Sie ist ganz allein
mit diesem Säufer. Ihre Mutter hat ihn bald nach dieser vermaledeiten Sache
verlassen. Auch ihre Brüder haben sich von der Familie losgesagt und sind fort
gezogen. Der einzige Verwandte, der noch etwas mit ihr zu schaffen haben
möchte, ist der älteste Bruder. Ich glaube, Dragbor wird er genannt. Und er
unterdrückt sie, schlägt sie und ist froh, dass er mit ihr eine Dumme gefunden
hat, die sich um den versoffenen Vater kümmert.“ Torgast schluckte und nickte
beklommen. Doch seine Frau war mit ihrer Ansprache noch nicht zu Ende.
„Du weißt so gut
wie ich, dass Camy nichts unehrenhafte getan hat und sich trotzdem jeden Tag
demütigen und beschimpfen lassen muss. Du darfst sie nicht ausstoßen, nur weil
sie sich ab und zu dagegen wehrt.“ Überrascht fragte er sich, woher seine Frau
das alles wusste, schob aber diesen Gedanken zur Seite. „Na gut. Keine
Verbannung also. Aber welche Strafe würdest du denn vorschlagen, mein kluges
Weib?“ knurrte er sie milde gestimmt an.
„Eine, die wie eine
Strafe aussieht, aber in Wirklichkeit gar keine ist.“ riet sie ihm
augenzwinkernd. „Viel mehr ein Schubs in die richtige Richtung. Und dann
vergiss auch nicht, dir etwas für diesen Mergol einfallen zu lassen. Ganz
ungestraft darf auch er nicht davon kommen, findest du nicht?“ Und so
unterbreite sie ihm einen Vorschlag, über den er den ganzen Tag nachdenken
musste. Seine Frau war überraschend weitsichtig in dieser Angelegenheit und so
dachte er grinsend: ‚Hinter jedem starken
Mann, steht eine kluge Frau. Und meine Gattin ist die klügste, die sich ein
Mann wünschen kann.'
***
Viel Spass beim Lesen, Rina. Danke an Raziael für die Unterstützung :)
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