Sonntag, 22. Juli 2012

Die Prophezeiung Kapitel 20 (Die schöne und die böse Tante)

Urgandel im Hundertundviertzigsten Mondzyklus: Fürstentum Urlandis

Der Herbst war im Anmarsch und ließ die Nächte kühler werden. Wallungur und Tyrella sammelten Kastanien und Nüsse, der Alb war nur für die Jagd zu gebrauchen, ansonsten ließ er sich gern bedienen. Die Zwergin machte sich Sorgen um Klondieke, das Mädchen sah schwach aus. Im Sommer hatte sie ihm Taubeneier zu Essen gegeben, doch die Brutzeit war vorbei und das Kind brauchte gesunde Nahrung. Das tägliche Fleisch gab dem Kind nicht was es zum Wachsen brauchte.

Sie durchquerten einen Wald, als Tyrella stehen blieb. „So geht das nicht weiter. Seht euch das Kind an, sie ist schwach, sie braucht Milch." Fortingas zuckte mit den Schultern. „Und wo sollen wir welche herbekommen? Wir haben kein Geld um welche zu kaufen." Die Zwergin tadelte ihn mit einem spöttischen Blick. „Natürlich nicht. Aber du bist ein Nachtalb, ihr nehmt euch doch alles ohne zu fragen. Also geh und besorge eine Ziege, in der Nähe des Flusses muss es doch eine Niederlassung geben." Fortingas machte ein beleidigtes Gesicht. „Ist ja gut, ich geh ja schon. Vielleicht kann ich mir auch Stäbchen besorgen, dann könnt ihr mal sehen wie normale Leute essen." Der Alb wandte den Zwergen den Rücken zu und lief los. Wallungur rief ihm nach, ob er auch wüsste wie eine Ziege aussieht. Doch Fortingas winkte ab und war in den Bäumen verschwunden.

Der Zwerg machte ein Feuer und begann Kastanien zu rösten, Klondieke half Tyrella die Nüsse auf zu brechen. Bald kehrte Fortingas zurück und führte an einem Strick eine Ziege mit sich. Die Zwergin klatschte in die Hände. „Da haben wir ja etwas gefunden das du kannst." rief sie und holte eine Holzschale aus ihrem Rucksack. Sie kniete sich neben dem Tier auf die Erde und wollte beginnen das Tier zu melken, als sie inne hielt und den Nachtalb streng anstarrte. „Ich nehm alles zurück. Du bist dümmer als ein Esel." Fortingas bückte sich und schaute auf den Bauch des Tieres. „Was ist denn nun wieder falsch? Das ist doch eine Ziege?" fragte er verwundert. „Das ist ein Ziegenbock! Ein männliches Tier. Nur weibliche Tiere geben Milch!!!" Während sie dies sagte, zitterte die Schale in ihrer Hand. Wäre sie groß genug gewesen hätte sie ihm das Gefäß auf den Kopf geschlagen. 

„Beruhigt euch." versuchte Wallungur die beiden zu beschwichtigen. „Wenn es keine Milch gibt können wir den Bock immer noch essen, bis dahin hat er eine andere Aufgabe." Mit diesen Worten nahm er Klondieke und setzte sie auf den Ziegenbock. Das Mädchen hielt sich an den Hörnern fest und lachte vergnüglich. „Na siehst du? Es war doch nicht ganz falsch." sagte Fortingas und gab dem Bock einen Klaps. Das Tier blökte und lief los. Das letzte was die drei sahen war das Hinterteil eines Ziegenbockes, der im Dickicht verschwand, mit Klondieke auf seinem Rücken. Wallungur warf sich die Kapuze über und tauchte ins Gebüsch, Fortingas war mit drei Sprüngen in einem Baum und nahm die Verfolgung über die Baumkronen auf. Tyrella folgte Wallungur, musste aber immer wieder stoppen weil sich ihre Haare in Dornensträuchern verfingen. Wallungur schaute unter seiner Kapuze hervor und sah das Ende des Waldes. Nahe dem Fluss konnte er den Bock sehen auf dessen Rücken immer noch Klondieke saß, doch sie war nicht allein. Er zog seine Axt und stürmte voran. 

Die junge Frau legte die Pilze in ihre Tasche. Sie schaute in die Ferne und überlegte, ob es im Wald bessere Pilze geben könnte, als sich ihr Blick auf einen Ziegenbock richtete. Doch nicht das Tier war ungewöhnlich, sondern das Kind das auf ihm saß. Sie ging näher heran, der Bock war außer Atem und das Kind hüpfte auf ihm herum und lachte. „Hey wer bist du denn? Bist du mit deinen Eltern hier?" Das Mädchen, das wie ein Zwerg gekleidet war, machte ein ängstliches Gesicht und begann zu schreien: „Ella, Ellaaa, Walluuu!!!" Die junge Frau begriff nichts und versuchte das Kind zu beruhigen, als das Knacken von Ästen sie aufschrecken ließ. Ein Zwerg, die Axt schwingend kam auf sie zu gerannt und forderte sie auf das Kind in Ruhe zu lassen. Kurz danach erschien eine rothaarige Zwergin, die sich unter wilden Flüchen Grünzeug aus den Haaren rupfte. Als dann noch ein Nachtalb hinter ihr stand und sie mit seinen roten Augen anschaute, war alles vorbei. Mit einem leisen Stöhnen fiel sie in Ohnmacht. Fortingas schaute Tyrella an und sagte: „Du hast sie erschreckt."

Die drei standen um die Frau herum und starrten sie an. „Was machen wir mit ihr?" fragte die Zwergin. „Wir nehmen sie mit." bemerkte Wallungur. Er fasste den Fuß der Frau und wollte sie mit schleifen, doch der Alb protestierte. „Was machst du da? Sie ist doch kein erlegtes Schaf!!" Er hob sie vom Boden auf und trug sie auf den Armen. Zurück im Lager weckten sie die Frau mit leichten Ohrfeigen. Als sie die Augen aufschlug wollte sie gleich wieder schreien, doch Tyrella beruhigte sie. „Du musst keine Angst haben, niemand wird dir etwas antun." 

Die Frau schaute sich ängstlich um, besonders der Nachtalb flößte ihr Furcht ein. Sie zeigte auf ihn. „Du wirst gesucht, auf deinem Kopf ist ein Preis ausgesetzt, weil du Kinder entführt hast." Dann schaute sie die Zwerge an. „Machen die Zwerge etwa gemeinsame Sache mit den Nachtalben?" Alle schauten die Frau verständnislos an. Dann begann Tyrella zu reden: „Zum ersten, so wenig ich das Langohr auch mag, aber er hat sicher kein Kind gestohlen, denn er wüsste nicht was er damit anfangen sollte. Zweitens, ehrbare Zwerge würden niemals mit den Nachtalben gemeinsame Sache machen!" Die Frau schaute ungläubig zu Klondieke, die sich dicht an die Zwergin drängte. „Und wer ist die Kleine?" fragte die Fremde. „Das ist mein…" doch Tyrella stockte in ihrem Satz, dann sagte sie: „Dieses Mädchen hat der Zwerg, allein und verwahrlost auf offenem Feld gefunden."

Die junge Frau schaute ungläubig. „Aber diese Gerüchte habe ich von Menschen gehört, nicht von den Nachtalben. Sie suchen dieses…" Die Frau stockte, jemand rief ihren Namen. „Calseha? Ist das dein Name?" fragte Wallungur, die Frau nickte. Fortingas war sogleich verschwunden und kam mit einer älteren Frau wieder. „Lass sie los, das ist meine Base Dolsahra!!"

Calseha erklärte ihrer Base in kurzen Worten was geschehen war, jedoch hatte diese nur Augen für Klondieke. Sie nahm ihre Nichte am Arm und sagte sie müsse kurz mit ihr reden, im leisen Ton sprach sie auf die junge Frau ein: „Wir müssen in die Stadt kommen und zu dem Vogt sagen wo sie sind, dann werden wir reich." Doch Calseha verneinte. „Aber schau doch, das Kind zeigt keine Furcht. Es scheint nicht widerwillig bei den Zwergen und dem Alb zu sein." Dolsahra winkte ab. „Das Kind müssen wir an uns bringen, die Nachtalben suchen es. Diese silbernen Haare hatte nur ein Mensch in Urgandel, unsere Königin. Wenn wir es geschickt anstellen können wir die Armut hinter uns lassen, wir müssen nur richtig mit den Nachtalben verhandeln."

Calseha erschrak bei den Worten. „Nein, das kannst du nicht ernst meinen. Ich werde nicht zulassen das du dieses Mädchen an die Nachtalben auslieferst und nur die Haare sind kein Beweis für die königliche Abstammung." Sie wandte sich von ihrer Base ab und ging zu den Zwergen. Nachdem sie berichtet hatte, dass Klondieke von den Nachtalben gesucht wurde, schauten alle Fortingas an.
„Hört zu, ich habe sie beschützt falls ihr das schon vergessen habt!!? protestierte er und Tyrella hob schlichtend die Arme. „Was weißt du darüber? Oder hast du jemals etwas von dieser Sache gehört?" fragte die Zwergin. Er zuckte mit den Schultern. "Aber in Burinda ist jemand, den wir darüber ausquetschen könnten."

 Die Zwerge stimmten zu. Nach einer kurzen Mahlzeit machten sie sich auf den Weg. Dolsahra wollte Klondieke an die Hand nehmen, doch das Kind weigerte sich und ging mit Tyrella. Fortingas bemerkte den wütenden und neidischen Blick der alten Frau, doch wusste er nichts damit an zu fangen.
Raziael/Überarbeitung: Rina Smaragdauge

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